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SWR Bürgertalk mit Florian Weber „mal ehrlich…was bedeutet Integration?“

„Du kannst nicht zwei Göttern dienen!“ ist wohl das Fazit, mit dem der SWR-Zuschauer am Mittwoch, den 9. Mai 2018 aus der Sendung „mal ehrlich..“ in die Welt hinaus geschickt wurde. Wer zwischen 22 und 23 Uhr eingeschaltet hat, konnte entweder euphorischen Positivismus sehen – oder wirklich bodenlosen Pessimismus. Das kontroverse Thema „Integration“ wurde von allen erdenklichen Seiten beleuchtet, aber zu einer konstruktiven Diskussion kam es nicht.

Was ich aus der Sendung mitgenommen habe und warum ich froh bin, dass ich da war, erfahrt ihr hier. Wer die Sendung verpasst hat, kann sie in der Mediathek nachschauen.

Am Neckar-Ufer vor der Alten Feuerwache in Mannheim: Tim, mit dem ich zur Schule ging und ich.


Tim, mit dem ich in Korntal zur Schule ging, hat mich nach Mannheim begleitet. Er und sein Freund Stefan machen einen Dokumentarfilm als Bachelorarbeit. Als Gegenstand dafür haben sie unsere etwas ungewöhnliche Freundschaft ausgewählt. Die Fahrt war lustig und wir haben über meine Erwartungen an die Sendung gesprochen.

Neue Erfahrung

Erwartet habe ich eigentlich nur, dass ich meine Botschaft loswerden kann. Meine Botschaft, dass der Mensch zählt und auch dass wir in Deutschland in Freiheit leben können und dass wir versuchen sollten das zu erhalten. Ich glaube, das ist mir auch gelungen und ich hoffe, dass die Botschaft bei dem ein oder anderen angekommen ist. Ich hatte auf jeden Fall Spaß in der Sendung. Am liebsten hätte ich viel mehr gesagt und zu allem meinen Senf dazu gegeben. Aber es war eben nun mal keine Merve-Sendung, sondern ein Bürger-Talk, wo jeder zu Wort kommen konnte. Auch Menschen mit etwas dubiosen Ideen.

Ein junger Mann, der sich als Türke bezeichnet, weil er türkisches Essen mag. Ein bärtiger Herr, der über mehrere Jahre experimentell Salafist gewesen ist. Ein AfD-Politiker, der sich über Wählerstimmen von Migranten freut, deren Wahlrecht er im Grunde ja aber in Frage stellt. Eine türkischstämmige Politikerin, die sich selbst als Vorzeige-Migrantin sieht, weil sie nicht auffalle. Aber am ulkigsten fand ich doch die freundliche, ältere Dame, die sich beim Fahrradfahren von grillenden Familien bedroht fühlt. Einfach, weil sie da sind. Ach ja und weil sie vermutlich einen Migrationshintergrund haben.

Raus aus der Filter-Blase

Ich will mir auf jeden Fall selbst ein Bild von diesen Furcht einflößenden, grillenden Migranten machen, weshalb ich die freundliche, ältere Dame demnächst in ihrer Heimat besuchen werde. Ihr Sohn studiere in der selben Stadt wie ich. Vielleicht ist der ja auch bereit mit mir zu sprechen. Selbstverständlich tut es mir aufrichtig Leid, dass ich mir mein unfreundliches, höhnisches Lachen live-on-tape nicht verkneifen konnte. Glücklicherweise wurde ich von dem charmanten und kompetenten Moderator Florian Weber unverzüglich zurechtgewiesen. Es ist schließlich seine Aufgabe dafür zu sorgen, dass jede Stimme ernst genommen wird. Mir ist jedoch wieder einmal klar geworden, dass keiner sich vorstellen kann, wie viel Hass, Argwohn, Misstrauen und Ablehnung Kopftuch tragenden Frauen in Deutschland tagtäglich offensiv begegnet. Dennoch habe ich mich noch nie davor gefürchtet in Deutschland Fahrrad zu fahren. Ganz im Gegenteil. Ich bin froh, dass ich hier Fahrradfahren kann!

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Ich kann schon verstehen, wenn man Ängste vor Verfremdung oder vor Übergriffen hat. Genauso traurig hat mich die Geschichte gemacht, es gäbe Flüchtlinge, die mehrere Identitäten angeben, um unseren Staat auszunutzen. Ich stelle gar nicht in Frage, dass es unter Flüchtlingen oder Muslimen schlechte Menschen gibt. Mich erschrecken solche Geschichten genauso sehr, wie jeden anderen. Leider gibt es immer und überall Verbrecher und Menschen, die andere ausnutzen. Aber ob sich die Leute, die sich über betrügende Flüchtlinge echauffieren, genauso über den Cum-Ex-Skandal aufgeregt haben? Der größte Steuerraub der deutschen Geschichte by the way, der Anfang diesen Jahres erst aufgedeckt wurde. Unserem Staat gingen dabei 5 Milliarden Euro durch die Lappen. Einfach so. Ganz ohne Flüchtlinge.

Babylon war gestern

Sehr interessant war dann noch eine junge, hübsche, italienische Dame, die mich beim hinauslaufen als „arrogante Kuh“ betitelt hat. Ich bin froh, dass ich Contenance bewahrt habe, statt mich auf ihr Niveau hinab zu begeben. Sie behauptet in der Sendung, sie wäre niemals so integriert, wie sie es ist, wenn ihre Eltern ihr Italienisch beigebracht hätten. Sie wäre so froh, dass ihr Vater ihr gesagt hat, sie soll nur Deutsch lernen, weil sonst wäre sie nie so deutsch geworden, wie sie ist.

Lustig, nicht wahr? In einer globalen Welt darauf zu pochen, dass es elementar wichtig ist, nur eine einzige Sprache zu sprechen. Viel Erfolg in der Berufswelt, liebe italienische Dame. Ich bin froh, dass ich auf sehr gutem Niveau Deutsch, Türkisch und Englisch spreche. Und dass ich mich auch auf Französisch und Arabisch ganz gut verständigen kann. Und ich kenne viele sehr echte deutsche Menschen, die auch mehr Sprachen als Deutsch sprechen. Nicht nur Englisch, sondern sogar Spanisch und ja: Auch Italienisch. Selbstredend haben sie jedoch durch ihre Sprachkenntnisse all ihre deutschen Qualitäten und Werte verloren und sind nun identitätslose Untermenschen.

Dann kam nach ihr noch ein älterer Mann zu Wort, der sie bestätigte und meinte: Ja, in der Tat. Man kann nicht integriert sein, wenn man die eine Kultur nicht aufgibt. Man könne nicht zwei Kulturen haben. Das waren neben seiner Selbstbeweihräucherung die letzten und abschließenden Worte der Sendung. Sehr zu meinem Bedauern, denn vor diesen beiden unglücklich geratenen Menschen, wurde eine so bewegende und kraftvolle Geschichte erzählt: Drei deutsche junge Männer, die vorbildlicher nicht sein könnten haben in Bietigheim-Bissingen mit zwei syrischen Flüchtlingen eine WG gegründet und leben mit ihnen gemeinsam, wie eine Familie. Sie lieben einander, sagen sie in der Sendung. Das hat mich berührt und es hat mich auch an meine eigene WG in Tübingen erinnert und ich habe mich gefreut wieder einmal zu sehen, dass wir so viele sind. Dass wir da sind. Dass es uns gibt: Die neuen Deutschen!

Wir neuen Deutschen

Uns neuen Deutschen, die dieses Land lieben und die Freiheit lieben und die Menschen, die hier sind. Die keinen Unterschied machen, wie jemand lebt oder woher er kommt. Wen er liebt oder was er mag. Wir sind einfach froh, dass wir in Frieden und in Wohlstand leben und hoffen, dass wir diese Stärke erhalten können. Wir bilden uns weiter, wir arbeiten, wir nehmen unser Land hoffentlich in unsere Hände und geben es nicht weg an all jene pessimistischen Stimmen, die an ihrem Selbstmitleid fast ersticken, weil Deutschland uns bald verloren gehe.

Nein, das tut es nicht. Wir haben eine sehr vielseitige und humane Kultur hier. Eine freie und vielfältige Presse. Unsere Wirtschaft blüht immer weiter und weiter. Wir haben tausende Universitäten. Wir haben eine funktionierende Infrastruktur. Wir haben so viele, tolle Forscher und Innovationszentren. Deutschland wird nicht untergehen.

Ich bin jedenfalls froh, dass ich in Mannheim war und bin sehr dankbar für die Einladung. Das war wirklich eine wertvolle Erfahrung für mich.

Kurz dachte ich, ich würde in einer Fantasiewelt leben und die Sendung hätte mich in den Regen der Realität gestellt. Doch ganz im Gegenteil: Die Sendung besteht auch aus dem Menschen hinter den Kulissen und die haben mich sehr beeindruckt. Die ganze Recherche und Vorarbeit, die sie in so eine Stunde Fernsehen stecken ist unfassbar. Ich bin dankbar, dass ich eine so wunderbare, engagierte und tolle Redaktion kennen lernen durfte, die unbedingt wollte, dass ich komme, damit auch meine Stimme gehört wird. Eine Redaktion, die versucht hat, das Beste rauszuholen aus so einem leidigen Thema.

Eine Fernsehsendung verändert nicht die Welt, aber es ist doch ein gutes Gefühl immer mehr Menschen zu begegnen, die so viele gute Absichten in sich tragen. Ich wünsche euch viel Kraft und Erfolg bei eurer Mission!

Am Ende des Tages eine hoffnungsvolle Erfahrung.

Sei offen!

Auf der Rückfahrt haben wir übrigens einen indischen Ingenieur mitgenommen, der zwar kein Deutsch konnte, aber dafür die selbst gemachtem Süßigkeiten von seiner Mutter mit uns geteilt hat. Er hat mitten in der Fahrt in hoher Lautstärke indische Musik auf deinem Handy geöffnet und meinte, dass das gut zum entspannen sei und dass er Buddhist ist. Das Leben ist voller unerwarteter Überraschungen, sag ich euch. Seid einfach offen und genießt es!

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