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Wenn Ramadan-Träume wahr werden

Der Ramadan ist ein ganz besonderer Monat für mich. Man geht an seine Grenzen und nimmt die Dinge viel intensiver wahr als sonst. Ich kann mich an jeden einzelnen Ramadan in meinem Leben, seit ich mit 10 Jahren angefangen habe zu fasten, sehr genau erinnern. Und jeder Ramadan war bisher anders als der letzte. Das hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass der Monat jedes Jahr ein Stückchen weiter nach vorne wandert: 11 Tage, um genau zu sein. Denn der Mondkalender, der sich nach den Mondzyklen richtet, ist 11 Tage kürzer als der gregorianische Kalender, der in weiten Teilen der Welt genutzt wird.

Dieses Jahr hat mich das Ramadan-Feeling noch nicht so richtig gepackt, was unter anderem auch daran liegt, dass unsere Moschee letztes Jahr geschlossen wurde und wir deshalb nur noch mit der Familie Iftar machen können und auch nicht mehr zum Terawih-Gebet gehen können. Iftar ist das Fastenbrechen bei Abenddämmerung. Man bricht sein Fasten mit einem Gebet, einer Dattel und einem Schluck Wasser. Danach wird zusammen gegessen. Das Terawih-Gebet ist ein ganz besonderes, aber freiwilliges, rituelles Gebet im Ramadan, das meist in Gemeinschaft gebetet wird, wenn man die normalen Gebete des Tages alle schon verrichtet hat.

Jedenfalls hatte ich heute die spontane Idee, dass man doch ein gemeinsames Iftar-Essen an der Hochschule ausrichten könnte. Einerseits wäre das sicher richtig toll für die muslimischen Auslandsstudenten und auch die normalen, muslimischen Studenten an der Hochschule, die zwar fasten, aber nicht bei ihren Familien sind in der Fastenzeit. Andererseits wäre es auch richtig toll für alle anderen Studenten, die zwar keine Muslime sind, aber trotzdem gerne leckere Sachen essen und offene Fragen, Neugier oder Vorurteile haben. Ich denke, dass man sich bei solchen Veranstaltungen bei guter Stimmung viel näher kommt und zu einer Gemeinschaft wird, als einfach so nebeneinander herzuleben.

Also habe ich in die Facebook-Gruppe unserer Hochschule folgenden Text gepostet ohne auf die unglaubliche Reaktionen meiner Kommilitonen gefasst zu sein:

„Achtung: Die HdM wird jetzt mal islamisiert! Einige von euch haben mitbekommen, dass Ramadan ist. Viele wissen, dass Muslime da tagsüber auf Essen verzichten. Aber sobald die Sonne weg ist, geht die Party ab!

Ich würde gerne am letzten Tag, dem 14. Juni, ein Iftar (Fastenbrechen) an der HdM organisieren, wenn ihr Lust auf sowas hättet. Natürlich sind alle eingeladen, egal ob muslimisch oder nicht, denn wer liebt kein gutes Essen?

Vielleicht hat der ein oder andere sogar Lust, bei der Orga zu helfen. Bin gespannt auf euer Feedback!

PS/erklärende Worte: Natürlich, will ich niemanden islamisieren. Das ist nur ähnlich wie die Adventszeit eine richtig besondere Zeit für mich. Aber wenn um einen herum im Alltag alles ganz normal weiter geht, spürt man dieses special Ramadan-Feeling gar nicht. Und wie geil wäre das, wenn das für einen Abend mal anders ist und man damit auch gleich für ein offenes Miteinander und Verständnis sorgen kann?“

Der Beitrag hat so viele Likes und Kommentare bekommen, wie kein Beitrag zuvor. Und ich habe so viele Nachrichten bekommen von Studenten, die gerne helfen würden, wie ich es wirklich niemals erwartet hätte. Das ist so ein tolles und wertvolles Zeichen für mich. Das bestätigt mir nicht nur nochmal, dass ich wirklich an einer super offenen und tollen Hochschule studiere, sondern auch, dass es ganz viele tolle und offene Menschen gibt, die bald die Zukunft und auch die Hoffnungsträger unseres Landes sind. Ich bin wirklich sehr gerührt, vor allem über die nicht-muslimischen Studenten, die auch mitmachen und kommen wollen.

Ich hoffe jetzt nur noch, dass wir einen Raum, eine Genehmigung und genug Sponsoren für die Veranstaltung bekommen, um alle unterzubringen und satt zu kriegen!

Ich freue mich darauf, die Veranstaltung mit einem mittlerweile echt großen Team zu organisieren und euch alle gegen Ende des Fastenmonats, also in der zweiten Juni-Woche, in Stuttgart zu empfangen. Das genau Datum kann sich noch ändern, aber eine Facebook-Veranstaltung mit genaueren Infos wird alsbald folgen.