Artikel

FAITH over FEAR

Was ist hier los? Ist es nicht zu früh, um zurück zu blicken? Von „alten Zeiten“ zu reden und Erinnerungen in Rückblenden zu sehen? Das erste Klassentreffen wird geplant! Warum macht mich das so nervös?

Dieses Treffen wird mehr als nur ein Wiedersehen. Zum ersten Mal wird unsere Vergangenheit unserer Zukunft begegnen. Ich fühle mich in meine Schulzeit zurückversetzt. Mir fiel es damals sehr schwer, eine Rolle zu finden und mich in die Gesellschaft „Schule“ einzuordnen. Bevor ich diesen Ort verließ, sagte mir ein Mitschüler etwas, das ich es erst jetzt verstehe:

„Dir kommen die anderen merkwürdig vor, weil Du anders bist, Mervy Kay. Aber Du bist auch nicht merkwürdig, nur gewöhnungsbedürftig und wir haben uns an Dich gewöhnt!“

Das war kein gescheiterter Versuch, mir ein Kompliment machen zu wollen. Es ist ein Gleichnis für ein Thema, eine Frage, ein Problem, das mich immer schon beschäftigt hat: Die Rolle der Muslime in Deutschland!

Was jeder weiß: Wir sind einfach nur anders, nicht merkwürdig. „Anders“ zu sein, ist überhaupt nicht schlimm. Das Problem ist, durch sein Anders-Sein benachteiligt zu werden. Und das will keiner!

#SchauHin war echt klasse und hat viel Aufmerksamkeit mobilisiert. Kein Grund, sich rein zu steigern. So ein Opfer-Getue tut einem auf Dauer selbst nicht gut. Vergessen wir also mal das Anders-Sein, den Alltagsrassismus und die Auswanderungspläne: Wir sind hier, gewöhnt euch dran (Das ist übrigens an Deutschland  u n d  die Muslime gerichtet, falls das nicht klar sein sollte).

Die Erinnerung schwärzt die kleinen Dinge. Versucht trotzdem zurück zu denken. Kommen euch die Differenzen aus der Schulzeit nicht lächerlich vor? Erst wenn man die Schule verlässt, wird einem bewusst, wie kleingeistig unsere Lebensvorstellungen damals waren. In Zukunft ist heute die Vergangenheit, an die wir zurückdenken werden.

Ich werde niemals den Islam repräsentieren oder für alle Muslime beantworten können, warum ich Kopftuch trage, bete und warum ich glaube! Die Person, die euch das Gefühl gibt, hier nicht willkommen zu sein, kann auch nicht Deutschland repräsentieren. Das kann keiner, selbst wenn diese Person Merkel ist oder der Präsident. Es gibt nicht nur eine Realität. Es gibt nicht nur die Muslime und es gibt nicht nur die Deutschen.

Ich weiß nicht, ob ich inzwischen vernünftiger oder bekloppter geworden bin. Nur habe ich mich nie mehr als Deutsche  u n d  als Muslima gefühlt als jetzt, wo ich diese Winzigkeit verstanden habe.

Kein Mensch verdient es in ein Raster zu fallen und kein Mensch passt in eine Schublade! Ich bin dafür, dass wir unsere Kommoden jetzt sprengen und anfangen an mehr zu glauben.

Ein paar Monate sind es noch bis zum Klassentreffen. Mal sehen, wer wir bis dahin geworden sind!

Mervy Kay

P.S.: Dies sollte bitte nicht als Aufruf verstanden werden, sich schützend vor eine exotische Minderheit zu stellen. Es geht darum, endlich gleichberechtigt ernst genommen zu werden. Insch’ALLAH bald!

two semi languages

Instead of focusing on the worst of both, focus on the best!

„But.. it’s HOME“ (http://tuffix.deviantart.com/art/Do-I-Need-to-Chose-403916543)

Ein Bild von meiner talentierten Freundin Soufeina.

a Cube of Kaaba

Wer die diesjährige 9. WIEF in London besucht oder anderweitig dort ist, sollte dringend einen Blick werfen auf das schönste Stück Cool Britannias. Im Victoria and Albert Museum ist eine nennenswerte Sammlung mit Kunst aus der islamischen Welt. Unbedingt sehenswert!

Artikel

how to be an urban nomad

Ich habe diesen Song gehört von Marina & the Diamonds „How to Be a Heartbreaker“ und darin heißt es

„(1) Rule number one, is that you gotta have fun…(2) Rule number two, just don’t get attached to somebody you could lose..(3) Rule number three, don’t wear your heart on your sleeve, unless you wanna taste defeat & (4) Rule number four, gotta be looking pure“.

Gut, jeder wird mir glauben, dass ich keine Herzensbrecherin bin. Marinas Regeln finde ich trotzdem nützlich!

Genau vor einem Jahr bin ich zum Studieren von einem kleinen Städtchen im Strohgäu in ein großes Städtchen am Neckar gezogen. Als Student sei es am leichtesten eine neue Stadt kennen zu lernen, meinten meine Eltern. Man lerne viele, viele, viele  Menschen kennen und habe die Gelegenheit seine Karten neu zu mischen. So lerne man auch sich selbst ein bisschen besser kennen! Yuhuu..?!

Ich hatte meine Karten eigentlich gut sortiert und der gemütliche Lebenswandel stellte sich anfangs als höchst ungemütlich heraus. Wie alle übermotivierten Erstsemestler stürzte ich mich auch erstmal in eine Lehrmaterialieneinkaufstour. Eichhörnchen auf fachspezifischer Printmaterialienjagt! Natüürlich mit meinen Millionen superfantastischen, superinteressanten, superneuen Freunden, denen ich   a l l e s   über mich natüürlich auf einem Silbertablettchen präsentieren konnte und natüürlich präsentierte.

Von den Millionen Konservendosenfreunden ist nicht mehr viel übrig und von der Übermotivation noch weniger. Dafür vermehren sich die bösen Tratschereien der Studierstädtchenkinder reichlich und einmal aufgedeckte Karten, bleiben nunmal offen. Aber was soll’s, das Spiel geht weiter und früher oder später werden die Karten wieder neu gemischt.

Für alle übermotivierten Erstsemestler:

Nicht jeder von euch wird dieses Neue-Stadt-Neues-Glück-Spiel gewinnen. Hier muss sich jeder sein Kartenhaus neu aufbauen. Besser als vorher kenne ich mich auch nicht, aber ich hab   n e u e   Karten gefunden, die mir für Regel eins noch gefehlt haben: Die Jocker oder wie ich sie nenne – Stadtnomaden.

Es gibt sie in jedem Studierstädtchen. In manchen weniger, in manchen mehr. Sie haben meistens Migrationshintergrund und reisen in ihrer Freizeit in ganz Deutschland herum und besuchen Seminare und Podiumsdiskussionen über den Islam im entferntesten Sinne oder über Integration und Politik und die Welt! Wenn sie nicht können, reisen sie im Internet herum und suchen Artikel und Videos von oder über Ihresgleichen. Fast alle von ihnen sind gläubig und die meisten sehr kreativ und aktiv. Es gibt Männchen von ihnen und Weibchen, Großchen und Kleinchen, Jungchen und Altchen, Schlauchen und sogar Dummchen, viele Pärchen und mehr Alleinchen. Ganz witzig sind sie meistens auch, aber auf jeden Fall fröhlich! Ich hab schon manche gesehen, die sich auch anders anziehen, Haremshosen mit Westen oder mit Gebetskette am Hals, manche unter ihnen haben ein Kopftuch oder einen Turban und andere nicht. Viele sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Sie sind alle verschieden, aber sie machen alle dieses Land ein bisschen besser und ich bin auch einer von ihnen!

Es gibt uns wirklich überall, aber man weiß so wenig über uns, dabei sind wir doch so interessant. Es muss unbedingt einer  ein Lied singen „How to Be an Urban Nomad“, ob ich das wohl machen sollte? Dafür bin ich viel zu heiser von all den stadtnomadischen Diskussionen auf den Straßen hier an meinem Neckarstückchen. Aber rede doch mit einem Stadtnomaden, wenn du einen findest – das ist dein Joker und dafür gibt es von Marina noch keine Spielregeln!

Mervy Kay

P.S.: Beachte auf dem Foto das Bild links an der Wand.