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#fettlogik

Ich habe hier jetzt längere Zeit nichts mehr geschrieben.

Wollte mich beschützen. Nicht verletztbar machen.

Ich habe hier nie viel persönliches von mir preisgegeben und der Blog war eigentlich dazu da einen allgemeinen Einblick in das Leben einer Muslima zu schaffen.

Ich habe viel positive Rückmeldung bekommen. Es hat mich gefreut zu sehen, wie gerne ich gelesen werde, wie erfolgreich mein Blog ist.

Die Schattenseite davon war sich daran zu gewöhnen. Nicht vorbereitet zu sein auf harte Kritik. Auf Ablehnung.[Weiterlesen]

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R.I.P.

Irgendwann vor 8 Jahren habe ich das Gesicht meines Vaters zum letzten Mal gesehen.

Seit meine siebenjährige Schwester ein altes Fotoalbum unserer Familie gefunden hat, erzählt sie in der Nachbarschaft, dass unsere Mutter früher einen anderen Mann hatte, der jetzt tot ist. Deshalb müsse sie ihren Papa mit mir teilen.

Der neue Papa ist religiöser, reifer und verantwortungsbewusster und hat mit 30, als er noch jung und schön war entschieden, dass er sich einen Bart wachsen lassen will – selbstredend nach dem Beispiel unseres Propheten. Wahrscheinlich haben früher sowieso alle Männer Bart getragen, aber die niyah‘ (=Absicht) zählt.

Mein Vater hat fünf kleine Schwestern, die ihn immer noch „Abi“ nennen müssen. Das ist die türkische Anrede für ältere Brüder. Ich habe ihn auch sehr lange so genannt, obwohl mir immer klar war, dass er nicht mein großer Bruder ist. Aus „Abi“ wurde „Ba’bi“, aber nie „Baba“, was auf türkisch Papa heißt. Dafür ärgert er mich mit der Antwort „Ya, Shub’baki?“, wenn ich ihn rufe. Das bedeutet „Ja bitte, mein Fensterchen?“ auf arabisch. „Babun“ ist nämlich das arabische Wort für „Tür“ und „Ba’bi“ bedeutet „Meine Tür“.

Solche Zufälle passieren, wenn man jedem Menschen auf der Welt einen lächerlichen Spitznamen geben muss. Arabisch ist sowieso eine dehnbare Sprache. Da kann aus „Gott hat die Menschen geschaffen.“ wegen falscher Aussprache auch mal „Gott hat die Menschen rasiert.“ rauskommen. Vielleicht hat der Bart ihn doch nicht so viel reifer gemacht. Immerhin sieht er aus, als wäre er reifer auch wenn er ein Quatschkopfpapa ist, der sich zuerst aussperrt und dann sein Kind von einem Balkon im dritten Stock zum anderen wirft, damit es die Haustüre von Innen öffnen kann, bevor seine Frau Heim kommt und schimpft.

Richtig schimpfen tut sie aber nie. Nicht weil er ihr egal ist, sondern weil sich meine Eltern einfach wirklich lieben. Das ist so eine tiefe Liebe, die mich zweifeln lässt, ob arrangierte Ehen wirklich so schlimm sind, wenn sie zwei Menschen zusammen bringen können, die sich einfach wirklich lieben und sich niemals nie trennen werden.

Eigentlich schimpft meine Mutter nur einmal im Jahr bevor wir in die Türkei fliegen richtig. Sie glaubt, mein Opa schäme sich vor seinen Dorffreunden, dass sein Sohn einen Vollbart trägt. In der Türkei trägt man nämlich Schnurrbart. Nur Anarchisten und Transen haben dort Vollbärte und wenn man nur einen einzigen Sohn hat, will man nicht, dass er Anarchist oder Transe ist. Ansonsten ist die Türkei natürlich sehr tolerant, wenn es darum geht, nicht gesellschaftskonform zu sein.

Bekanntlich wissen sich Männer mit passenden Ausreden zu helfen. Mein Vater hat auch eine parat: Er rasiere sich ständig, aber es wachse eben wieder nach. Dabei erinnert er mich an diese Frauen, die sich die Augenbrauen zupfen und behaupten, sie würden sie nicht einmal anrühren. Das wachse einfach von alleine so. Ersteres ist immerhin noch der natürliche Zustand von Haar und letzteres ein eindeutiger Eingriff. Ich glaube nicht, dass sich unsere Urahnen Haare ausgerissen haben. Obwohl – bei Frauen weiß man nie!

Im Grunde habe ich nichts gegen Haare ausreißen, auch wenn unser Prophet Augenbrauenstyling verflucht hat. In Saudi-Arabien haben sich früher nur die Prostituierten die Augenbrauen gezupft, an denen man sie erkennen konnte, wenn man eine suchte. Ob dort auch damals schon alle Burka tragen mussten? Auch Prostituiere?

Bärte gab es sicher schon. Das wissen wir ja von meinem Papa. Es gibt auch Leute, die mit Bart beschissener aussehen, als ohne. Johnny Depp zum Beispiel oder deutsche Salafisten. Nichtsdestotrotz habe ich natürlich auch nichts dagegen Haare wachsen zu lassen. Es würde mich aber interessieren, ob meine kleine Schwester unseren Vater ohne Bart wiederkennen und akzeptieren würde. Gleichzeitig frage ich mich, ob wir ihn wiederkennen und akzeptieren würden. Er mag zwar nicht mal doppelt so alt sein, wie ich, aber er ist sicher alt geworden. Er sieht bestimmt furchtbar aus ohne Bart. Außerdem bekommt er dann Stoppel und Stoppel kratzen. Vielleicht würden sich meine Eltern dann doch trennen. Vielleicht sind arrangierte Ehen doch nicht so sicher. Ich hoffe der Bart bleibt.

Ich will nicht schon wieder einen neuen Papa!

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True Love

Ich liebe es, dass unsere Nachbarn immer noch denken, ich sei die zweite Ehefrau meines Vaters, die an Wochenenden kommt, um ihr Revier zu markieren und dass meine Familie mich bei Gesellschaftsspielen nicht mitspielen lassen will. Ich liebe meine Mutter, weil sie mir per iMessage Fotos von leckerem Essen schickt, wenn ich am Wochenende nicht nach Hause komme und meine Oma, weil sie mich jede Woche per FaceTime aus der Türkei anruft, obwohl meine Mutter sagt, ich sei eine langweilige Telefoniererin. Was ich am größten liebe ist, dass ich keine Angst habe Scheiße zu bauen, weil ich weiß, dass meine Eltern mich nicht länger als zwei Tage im Keller einsperren können, ohne Mitleid mit mir zu bekommen und mich in den Arm zu nehmen.

 

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#YesAllWomen

Mervy Kay ist kein Mädchenblog. Ich bin ein Mädchen und das ist ein Blog. Kein Reiseblog. Kein Rezepteblog. Kein Einhorn- & Seepferdchenblog. Es ist einfach nur mein Blog. Und er ist auch für Männer.

Übrigens: Männer sind Menschen. Das nur zur Klarstellung, wenn ich lese, was das Emma Magazin über die Herren der Schöpfung schreibt und welchen Erfolg der Neo-Feminismus mit Hashtags, wie #killallmen, #mackergohome, #maletears und jetzt #yesallwomen hat. Ich war schon bei der #Aufschrei-Bewegung oft empört über die Statements mancher Frauen, was mir nur den Vorwurf eingebrachte, ich sei ein Maskulinisten-Pinup. Eine nennenswerte Gegenbewegung gab es nie. Woher kommen denn diese Männernazis? Und muss ich auch einer sein, weil ich eine Frau bin?

„Merve, du bist so naiv! Du hast keine Ahnung, glaub mir! Es ist anders, als du dir vorstellst: Männer sind keine faszinierenden Wesen auf weisen Pferden.“

Trotz dem (zugegebenermaßen) hohen Stellenwert der Geschlechtertrennung im islamischen Kulturkreis, bin ich nicht mit Wahrnehmungsstörungen bezüglich des anderen Geschlechts auf die Welt gekommen. Ich sitze in der Moschee nicht in einer männerfreien Zone, weil ich Männer hasse. Ich trage kein Kopftuch, weil ich Angst davor habe von jedem Mann vergewaltigt zu werden. Mein Lebensinhalt besteht nicht darin, einen Mann zu heiraten, um ihn zu vergöttern. Und ich verliebe mich auch nicht unsterblich in jeden Mann, der mir nach dem Niesen Gesundheit wünscht, weil ich noch nie von einem Mann beachtet wurde.

Ich versuche es mal anders: Warum ist eine männerfeindliche Einstellung derzeit im Trend? Und sind Frauen, die das nicht mitmachen wollen, unterwürfige Geschöpfe, die vom Patriarchat manipuliert wurden?

Männer seien die neuen Schwarzen. Oder Juden. Oder Muslime. Je nach dem, welcher Minderheit man mehr zugetan sei, berichtet die Frauenzeitschrift Brigitte. Das ist eigentlich eine Herabsetzung echter Diskriminierung. Männer werden im Grunde gar nicht diskriminiert und sie sind auch keine Minderheit. Wir reden hier von der Hälfte der Menschheit, aber eine halbe Menschheit, die ein seit Jahrtausenden schlummerndes Feindbild verkörpert.

Nicht ganz. Die braven Männer sind nicht böse und uns Frauen wird ans Herz gelegt, so einen Mann zu finden, der zu allem bereit ist, also auch dazu, zu bügeln, zu kochen und Karnevalskostüme zu basteln. Mit Herz und Seele stimme ich zu. Männer müssen aber nicht die neuen Frauen werden. Ich glaube nicht, dass Männer bessere Frauen sind als Frauen. Dafür müssten sie sich erst an einen Mount Everest an Erwartungen und das Minus an Anerkennung gewöhnen und ich bitte euch: Das stemmen nur wir!

Frauen und Männer sind nicht gleich und diese Ungleichheit ist viel zu negativ belegt.

Im Koran steht, Männer und Frauen würden sich ergänzen und sie sollen gütig zueinander sein. Genau das sollte die Gesellschaft, also die Medien, wie auch die Konsumenten, fördern, anstatt immer gegeneinander anzustacheln. Und einige Muslime sollten öfter in den Koran schauen und mit besserem Beispiel vorangehen.

Jede diskriminierte Minderheit hat irgendwann eine Zeit in der sie gehypet wird, bevor sie dann letztendlich von der Gesellschaft den Accepted-Stempel bekommt. Das haben Schwarze schon lange hinter sich. Es ist nichts besonderes mehr schwarz zu sein und auch nichts schlimmes. Schwule machen das gerade durch. Bei Muslimen könnte es noch dauern, aber ein „richtiger“ Mann zu sein dürfte eher wieder gefragt sein, als man denkt. Denn Geschlechterrollen sind zwar veränderbar und das passiert momentan auch, was gut ist, aber fast alle Männer sind trotzdem ziemlich einfach gestrickt, meistens nicht bösartig, nicht zickig und auch nicht nachtragend und genau das lieben wir doch an ihnen. Ich jedenfalls schon und deshalb sage ich: Yes, all women do love men!

Jetzt ist das doch wieder so ein Mädchenblogessay geworden. Ich bin eben ein Mädchen und das ist ein Blog.

Haltet die Ohren steif,

Mervy Kay

Ich stehe gerade total auf Schlager, die meine Freundin Tiniiweeny mir empfohlen hat. Durch und durch „deutsch“ bin ich zwar deshalb immer noch nicht mit meinen türkischen Wurzeln, aber wer mich von nun an als solche sehen mag – gerne!

Und so richtig untypisch kann mein frisch geborgener Musikgeschmack nicht sein. Ich bin quasi mit Udo Jürgens aufgewachsen. Erinnert man sich noch an den Titelsong von Tom & Jerry? Genau!

Vielen Dank für die Blumen!

Merci bien, mon ami!

Habe ich schon einmal erwähnt, dass Blumen mich glücklich machen? Ich meine: wirklich glücklich, so tief innen drin. 

Neulich habe ich vergeblich versucht, das meiner Familie zu erklären, die sich ab und zu um Blumen im Garten kümmern, aber Schnittblumen beispielsweise für Israf (arab. für verschwenderisch) halten.

Einerseits erfreut man sich an der Schönheit der Schöpfung, andererseits zerstört man sie und dann ist da trotzdem dieses Gefühl der Zufriedenheit in einem. Ja, das ist egoistisch!

Aber Blumen sind keine Dekoration. Sie drücken etwas aus. Hoffnung, Liebe, Freude, Vergebung und vieles mehr. Vor allem aber Dankbarkeit. Und die bekommt eine Blume, die nur sehr selten blüht:

„Andern etwas helfen wenn es auch keiner sieht..
Seinen Freunden beistehen was auch immer geschieht!
Das ist eine Blume die nur sehr selten blüht!
Darum freut mich dieses Souvenir!!“

Vielen Dank, für die Blumen!

Und jetzt geht es weiter mit „Die Hölle morgen früh“ von Helene Fischer. Ein Lied, das wie Maßgeschneidert ist für eine junge Muslima, die für den Himmel die Hölle kauft. Also von wegen, Schlager seien nur etwas für Mehrheitsdeutsche!

Schöne, blumige, freie Tage wünscht euch,

Mervy Kay

P.S.: Ich wünsche allen, die Ostern zelebrieren, einen besinnlichen Karfreitag und Karsamstag und ab Ostersonntag ein frohes Fest!

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MutterVaterKind

Meine Mutter ist für mich der beste Mensch auf der Welt und mein Vater ist für mich der Mensch, den ich am meisten liebe auf der Welt. Weiß er das?

Ich habe bei Huffington Post eine Liste für Papas gefunden, die nicht wissen, dass ihre Töchter irgendwann erwachsen werden..

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Mein Papa, ich & mein Essen (1994)

1. Wie Du mich liebst, so werde ich mich selbst lieben.

2. Frag mich, wie es mir geht und hör Dir meine Antwort an. Ich muss wissen, dass Du mich wertschätzt, bevor ich mich selbst wertschätzen kann.

3. Mein Maßstab dafür, wie ich behandelt werden sollte, ist wie Du Mama behandelst, egal ob ihr verheiratet seid oder nicht.

4. Ich spüre, wenn Du sauer auf mich bist, auch wenn ich es nicht verstehe, also erklär es mir bitte.

5. Jedes Mal, wenn Du mich oder jemand anderen gut behandelst, lerne ich, der Welt mehr zu vertrauen.

6. Ich muss lernen, dass ich Deiner körperlichen Stärke vertrauen kann, damit ich auch anderen Männern körperlich vertrauen kann.

7. Bitte sprich über Sex nicht wie ein Teenager, sonst denke ich, dass es etwas Schmutziges ist.

8. Wenn Du sanft mit mir sprichst, kann ich viel besser verstehen was Du sagst.

9. Wie Du über den weiblichen Körper redest, wenn Du Witze machst, prägt meine
Selbstwahrnehmung.

10. Wie Du mit meinem Herzen umgehst, so werde ich auch andere damit umgehen lassen.

11. Wenn Du mich ermutigst Freude am Leben zu finden, werde ich immer danach suchen.

12. Wenn Du mir beibringst, wie sich Sicherheit anfühlt, wenn wir zusammen sind, werde ich mich besser vor Männern schützen können, bei denen ich nicht sicher bin.

13. Bring mir die Liebe zur Kunst, zur Wissenschaft und zur Natur bei und ich werde lernen, dass der Intellekt wichtiger ist als die Kleidergröße, die ich trage.

14. Lass mich genau das sagen, was ich sagen möchte, auch wenn es falsch oder albern ist, denn ich muss wissen, dass es für Dich okay ist, wenn ich meine Meinung sage.

15. Wenn ich älter werde und mein Körper anfängt sich zu verändern, hab keine Angst davor, denn sonst werde ich denken, dass mit mir etwas nicht in Ordnung ist.

16. Wenn Du Dir selbst genügen kannst, werde ich es auch können.

17. Wenn ich Dir sage, dass Du mich lassen sollst, verlass mich nicht, denn ich werde immer wiederzurückkommen und Dich brauchen.

18. Wenn Du Deine verletzliche Seite zeigen kannst, werde ich lernen mit meiner eigenen Verletzlichkeit umzugehen, anstatt mich davor zu fürchten.

19. Wenn Du mich dabei helfen lässt das Auto zu reparieren und das Haus zu streichen, werde ich daran glauben, dass ich alles tun kann, was ein Junge auch kann.

20. Wenn Du meine Weiblichkeit beschützt, lerne ich, dass alles an mir schützenswert ist.

21. Wie Du unseren Hund behandelst, wenn Du denkst, dass ich nicht gucke, sagt mir mehr über Dich als so ziemlich alles andere.

22. Lass Geld nicht die Welt, oder zumindest nicht unser Leben, regieren, denn sonst lerne ich nicht, es oder Dich zu respektieren.

23. Umarme, halte und küsse mich auf alle Arten, wie ein Papa es tun sollte. Ich muss lernen, wie gesunde Berührungen sich anfühlen.

24. Lüg mich bitte nicht an, denn ich glaube alles was Du sagst.

25. Geh schwierigen Gesprächen nicht aus dem Weg, denn dann glaube ich, dass ich es nicht wert bin, dass man um mich kämpft.

Quelle: http://www.huffingtonpost.com/tara-hedman/what-little-girls-wish-daddies-knew_b_4581782.html