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What matters most is how well you walk through the fire.

Das ist nicht fair!

Das habe ich schon so oft gedacht. Diesmal frage ich mich jedoch, woher ich meinen Sinn für Gerechtigkeit habe.

Was ist nicht fair?

Wenn das ein Spiel war, war es dann nicht eines dieser Spiele ohne Regeln oder zumindest eins, wo man die Regeln bricht?

Beim Spielen bin ich bereit alles zu opfern und wer das nicht ernst nimmt, spielt nicht hart genug. Es gibt Menschen, die bei „Mensch-ärgere-dich-nicht!“ extrasuperdubberlieb das andere Männchen laufen lassen, damit das Männchen des Gegners nicht sterben muss. Wie warmherzig! Es ist eben nicht einfach einen würdigen Spielpartner zu finden, mit dem das Spielen Spaß macht. Ein gutes Spiel ist ein hartes Spiel. Aber ein hartes Spiel kann man nicht gewinnen. Es geht immer weiter und findet kein Ende, weil keiner verlieren will. Weil keiner verlieren kann. Wer verliert, fühlt sich ungerecht behandelt.

Nach einer philosophischen Theorie, hat jeder Mensch einen mehr oder weniger angeborenen Sinn für Unfairness, die einem selber widerfährt. Das ist aber etwas ganz anderes, als ein Sinn für Fairness. Ein Sinn für Fairness heißt, die gleichen Spielregeln auch für jemand anderes gelten zu lassen, selbst wenn es einem selber nicht passt.

Ich scheine das als Kind nicht gelernt zu haben. Wenn ich verliere, will ich Revanche. Ich denke, ich hätte nicht hart genug gespielt. Nicht gepokert. Meine Karten zu offen auf den Tisch gelegt. Nicht gewagt genug gespielt. Nein!
Das Leben spielt immer mit einem, aber man muss nicht immer gewinnen. Manchmal ist es sogar besser, zu verlieren. Man muss lernen würdevoll verlieren zu können. Das ist schwer. Das ist Arbeit. Das ist Verantwortung. Aber es ist wichtig das zu lernen. Es ist wichtig loslassen zu können. Aufgeben zu können. Keine Angst zu haben, das alles umsonst war. Sonst verliert man mehr als man kann. Sonst verliert man zu viel.

Wichtige, große Politiker können manchmal auch nicht loslassen. Sie spielen blind weiter und das ist nicht ehrlich. Ich fange mal bei den kleinen Dingen an und versuche loszulassen, was ich nicht halten kann. Ich möchte ehrlich zu mir selbst sein. Ehrliche Fairness!

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„Wer lebt, der sieht. Wer reist, der sieht weiter.“

Eine Hommage von Ghita Benlamlih, einer fantastischen Künstlerin, an Leila Ghandi, einer fantastischen Künstlerin. Wer diese beiden Frauen nicht kennt, sollte das umgehend ändern!

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Eine Reise nach Jerusalem

Drei Religionen, zwei Völker, ein Mann!

Yerushalayim, der hebräische Name der Stadt, bedeutet „Ort des Friedens“. Im Arabischen heißt sie El Kuds, „die Heilige“. Doch nicht Frieden, sondern Krieg ist kennzeichnend für Jerusalem.
Wenn ich die Bilder dieser Stadt sehe, will ich das nicht glauben. Es scheint ihr ein tiefer Frieden innezuwohnen, der mir das Herz aufgehen lässt.

„Wünschet Jerusalem Glück!“, heißt es im 122. Psalm. „Es möge Frieden sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen! Um meiner Freunde und Brüder willen will ich dir Frieden wünschen.“

(Quelle: http://kontrapunkt13blog.wordpress.com/2014/05/19/eine-reise-nach-jerusalem/)

Ich möchte jeden einladen, sich diesen Artikel zu Gemüte zu führen und die Bilder, Eindrücke und Erfahrungen im Original auf sich wirken zu lassen.

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W U R S T B R O T

Jeder möchte meine Meinung zu Conchita Wurst hören, aber ich bin leider immer noch mundtot: pathologisch temporärer Stimmverlust!

Selbstredend hat der Bundesdurchschnittsbürger für solche Situationen einen Webblog und somit stellt sich erneut die Frage: Was gibt es zu Frau Wurst zu sagen?

Vieles, eigentlich zu viel, wurde bereits gesagt. Warum wird aus manchen Dingen so eine große Sache gemacht, wobei andere völlig vergessen werden? Nichts wird doch so heiß gegessen, wie es gekocht wird und würde mir Frau Wurst auf der Straße begegnen, wäre sie auch nur eine unter vielen Menschen und bald hat man sie auch vergessen. Ich bin mir sicher!

Es gibt die liebe Conchita nämlich nicht erst seit dem Eurovision Song Contest. Ich kann nicht einmal sagen, ob mir ihr Bart aufgefallen wäre, vor einem Monat. Generell achte ich bei Menschen nicht auf ihr Äußeres, es sei denn ich hasse sie oder ich liebe sie. Beides ist bei unserer Phönix-Prinzessin nicht der Fall. Sie ist mir egal. Und genau das möchte sie doch: Egal sein! Hätte sie sich sonst Wurst genannt? Welcher Mensch nennt sich denn so?

Kennt ihr es, wenn ihr euch mit jemandem im Bus unterhaltet und später wisst ihr nicht mehr, ob diese Person eine Brille trug oder nicht, obwohl ihr der Person beim Sprechen ganz offensichtlich ins Gesicht geschaut habt? So sollte es mit Damenbärten und Kopftüchern auch sein!

Es ist mir bisher einmal passiert, dass jemand nicht wahrgenommen hat, dass ich Kopftuch trage. Später bei der zweiten Begegnung war sie peinlich berührt und meinte, sie könnte es für Dekoration gehalten und nicht weiter beachtet haben. Ich war glücklich. Scheinbar bin ich ganz normal und gar nicht so anders, sonst hätte es sie gestört, dass ich Kopftuch trage. Die meisten Menschen lieben Kopftücher bekanntlich nämlich nicht besonders. Die @marthaimthale sagt aber aktuell, Kopftuch sei lässig. Schön das zu hören, denn das gehört eindeutig in den egal-Wortschatz: Yuhu, Kopftücher werden immer egaler!

Jeder Mensch ist irgendwie anders, aber meistens ist das egal. Frau Wurst scheint noch überhaupt nicht egal-anders zu sein, denn entweder man liebt sie, oder man hasst sie, so scheint es mir. Sonst hätte sie nicht gewonnen, denn so toll kann sie nicht singen und besonders hübsch ist sie auch nicht, obwohl ihr Körper schon etwas her macht. Zu ihren Hassern sagt sie:

„Wie würde es euch gehen, wenn eure Freunde, Verwandten, Kinder, Kollegen usw. auf diese Weise beschimpft werden? Ich bin mir sicher, dass es in eurer näheren Umgebung ebenfalls Menschen gibt, die ‚anders‘ sind. In diesem Sinne kämpfe ich weiterhin GEGEN Diskriminierung und FÜR Toleranz. Denn ich bin davon überzeugt, dass im 21. Jahrhundert wirklich JEDER Mensch das Recht hat, so zu leben, wie er möchte.“

Warum sagt sie nichts zu den Liebern? Ich würde es an ihrer Stelle dumm finden, auf eine einzige Eigenschaft reduziert zu werden, aber vielleicht sind Travestiekünstler noch nicht so weit und sind einfach froh, erstmal auch geliebt werden zu können. Gönnt’s euch, so lange es euch nicht nervt, meine Herrendamen!

Das Genderproblem wäre damit also auch gelöst. Für mich jedenfalls. Gut, ich hatte auch noch nie ein Genderproblem. Ich fühle mich einfach immer mit angesprochen, selbst wenn da explizit NUR für HERREN steht. So kommt es, dass ich mich immer wieder in Herrentoiletten wieder finde. Das ist mein täglicher Adrenalinschub und viel gesundheitsfreundlicher als Koffein!

Das einzige das mir Probleme macht ist das: Warum musste sie das tun? Wollte sie es wirklich oder musste sie? Frauen dürfen sich so geben, wie Männer ohne Männer werden zu müssen, aber wenn sich Männer so geben wollen, wie Frauen, werden sie geächtet. Hat das etwas damit zu tun, dass Femininität allgemein devoter ist, als das typisch maskuline Dominanz?

Um ehrlich zu sein habe eich keine Ahnung. Witzig fand ich nur die Aussage meiner Mutter: „Merve, ich weiß nicht, was wir mit dir machen sollen. Du bist genau so, wie diese Frau, die so aussieht, wie Tarkan (Sie meint Conchita). Entscheide dich doch, was du willst und steh dazu!“

Das war absolut nicht auf mein Geschlecht bezogen, sondern auf meinen Glauben. Ich bin Muslima, das steht fest. So richtig definieren, wie das dann am Ende aussehen soll, kann ich tatsächlich nicht richtig. Vielleicht kann ich ja auch so ein Mittelding a la ist doch „Wurst“ starten: Statt Frau mit Bart, einfach Kopftuch mit Piercings. Sieht das komisch aus?

Ich finde es berechtigt, dass sich da viele Menschen ihrer Identität beraubt fühlen, dass Österreich oder je nach dem der Islam nicht so repräsentiert werden möchte. Aber wer entscheidet das? Konnte sich Österreich aussuchen, von Krieg und Blut repräsentiert zu werden? Konnte sich der Islam aussuchen, von Terroristen und Gewalt repräsentiert zu werden? Ich wünsche mir für unsere Kinder, die das alles noch nicht verstehen können, bessere Vorbilder, als mich oder Frau Wurst. Menschen, die wissen, was sie wollen und zu dem stehen. Also bitte, ich lasse euch gerne den Vortritt. Die erste Reihe steht noch frei! Na?

Ich kann nur sagen, dass kein Belag ohne ein gutes Brot, das ist, was es ist, denn das Brot ist nun mal das Beste an einem Wurstbrot!

Mervy Kay

 

„Ich bin ein Berliner“ ist ein berühmtes Zitat aus der Rede John F. Kennedys am 26. Juni 1963 vor dem Rathaus Schöneberg in West-Berlin.

Ich bin eine Landmaus aus dem Süden – schon immer gewesen. Aber bin ich auch eine Berlinerin?

Die Klassenfahrt nach Berlin habe ich damals verpasst.
Freunde, die mittlerweile in Berlin studieren, zu besuchen, kam mir nie in den Sinn.
Die Zahnräderkonferenz in Berlin habe ich verpasst.
Zur Republica konnte ich nicht nach Berlin.

Doch alle Wege führen scheinbar nach Berlin, denn jetzt war ich tatsächlich da! Die Umstände und Begebenheiten dahin gestellt: Ich bin ein wenig verliebt in dieses Monster.

20140516-141728.jpgEs ist mit Sicherheit eine Hassliebe, denn so etwas großes und lautes bin ich einfach nicht gewöhnt.

Doch Berlin ist eine echte Großstadt, die alles hat und alles nimmt: Kunst, Kultur, Geschichte, Moderne, Streit, Versöhnung, Fremdes, Neues und Altes, Natur, Religion, echte Ampelmännchen, Essen, Essen, leckeres Essen, vor allem sehr günstiges Essen, viel, viel Essen, Essen, das wirklich lecker ist..ich habe mich keine Sekunde fremd oder unwillkommen gefühlt (auch wenn IMMER verloren).

Tschüss du große, alte Dame mitten im Herzen..ähm..nicht Deutschlands, aber der Deutschen? Auf Wiedersehen!

Mervy Kay

PS: Danke, dass Du mir geholfen hast, dort nicht zu sterben, auch wenn Du mich eindeutig manchmal eigenhändig töten wolltest, lieber Reiseführer!

 

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Kopf oder Zahl

Es geht ums Netz und Migration und irgendwo da drin bin ich. Ich, eine Muslima, in einer wunderschönen Moschee. Oder einem Hörsaal?

Oh, ich freue mich sehr, endlich mal in Deutschland eine richtige Moschee zu sehen. Mit Kuppel bzw Dom und schönem Teppich, verziehrenden Fließen und dekorativem Mosaik, echter Kanzel, Gebetswaschräumen und sogar Minarette. Für mich ist das nicht selbstverständlich in Deutschland. Aber Muslime in Moscheen gibt es doch zu Hauf.

“ Wenn’s um Eis geht, dann in einer Eisdiele“ sagt mir ein Freund. Das sollte Gesellschaftskritik sein und irgendwo hat er Recht. Wenn es um Glauben/Religion geht dann ist es ok. Aber wenn es um etwas anderes geht ist es Klischee. Und es geht um etwas anderes.

Ich liebe Moscheen und ich besuche sie auch sehr gerne und regelmäßig, auch wenn sie hier bei uns im Süden nicht so schön sind. Meistens geht es dabei um beten und Koran lesen oder es gibt eine Predigt, manchmal wird ein Neugeborenes gefeiert, ein islamisches Fest oder eine Hochzeit und dass ich als Muslima in einer Moschee bin merke ich meistens daran, dass ich entweder etwas adäquates dabei oder an habe (langer Rock, weites Kopftuch). Ich habe mich aber noch nie gefragt, ob ich in eine Moschee gehöre und spontan fällt mir eigentlich immer nur die Uni ein. Die Bibliothek, ein Hörsaal, die Mensa, der Garten..wir haben keinen Campus, aber ich lebe praktisch in der Uni und ich fühle mich wohl hier. Trotzdem ist es komisch dieses Bild: Muslima mit Kopftuch + Uni? Gehöre ich hier her?

Ehrlich gesagt habe ich ein bisschen Angst, dass ich in einer Moschee nicht mehr Merve aus Tübingen bin, sondern Ayse, die mit 4 Jahren aus Anatolien auf einem Esel nach Deutschland geritten kam und jetzt Anwältin werden möchte.

Ein anderer Freund hat mal gesagt: “Akademikerinnen mit Kopftuch werden bald das Image des Kopftuches in Deutschland verändern” (http://mervykay.wordpress.com/2013/10/18/blockquote-cla/) und das ist auch irgendwie die Message, die ich mit meinem Blog rüber bringen möchte. Dass Muslime überall hin gehören und nicht nur in ihre „Nieschen“.

Das ganze Setting in der Moschee verfälscht dann alles, was ich bezwecken will. Und da wäre es jawohl für die richtige Message eher förderlich, wenn man an einem etwas moderneren, um nicht zu sagen westlicheren, nicht ganz so konservativ angehauchten Ort sein würde. Mit diesem Moschee-Setting bedient man doch nur genau das Klischeehafte und festigt unterschwellig ein bestimmtes Bild.

Ich behaupte jetzt mal, dass 50 % der Deutschen durchaus im Hinterkopf haben, dass ein religiöser Moslem/eine religiöse Muslima und dann noch in einer Moschee, nicht zu Deutschland gehört und da wäre die Location als Stilmittel, um dagegen zu halten, mehr als falsch. Denn die Menschen, die so denken, hat man damit gleich verloren.

Moscheen sind sicher interessant und eine Muslima in der Uni vielleicht leider auch noch ein bisschen. Nicht zuletzt werde ich in der Uni von Besuchern eines Konzertes im Festsaal oft für eine Putzfrau gehalten. Ersteres ist vielleicht gar nicht so schlecht. Dafür kann man jedes Jahr den Tag der Deutschen Einheit, wie gleichzeitig auch der offenen Moschee, nutzen, um das zu ändern. Letzteres aber kann durchaus schwerer sein, denn da muss man tief rein in die Köpfe, aber vielleicht will ich das?

Keiner kann mir diese Entscheidung abnehmen. Möglicherweise liegt meine Skepsis auch einfach nur daran, dass ich nicht so eine laissez faire Lebenseinstellung habe. Eine Moschee ist aber für mich auch keine Deko und deshalb bin ich mir eigentlich fast sicher, dass ich mich in einem Hörsaal wohler fühlen kann.

Ich gehöre nicht zu meinem Glauben, mein Glaube gehört zu mir!

Bis Bald,

Mervy Kay