Sehr geehrte Leser, lieber Autor des Blogs Zeitspiegel,
in Deinem Artikel vom 20.11.2014 Kopftuch/Burka-Debatte reloaded, der sich mit dem Praktizieren islamischer Kleidungsvorschriften in unseren Straßen beschäftigt, beziehst Du schärfer Stellung zum Thema, als einige Jahre zuvor mit Kopftuch Privatsache!
Ich, als gebürtige Muslima, kann diese Entwicklung nur aus der Außenansicht beobachten und teilweise nachvollziehen. Es ist ein Fehler der Medien, den Islam zunehmend als frauenfeindliche und menschenverachtende Religion darzustellen. Viel fataler ist jedoch die Wirkung der Muslime, die diese Suggestionen erfüllen.
Ich stelle beispielsweise fest, dass Frauen, die beschließen Hijab zu tragen, damit automatisch in den Radar der Religionspolizei fallen.
Jede Frau, die Hijab trägt, sollte selbst entscheiden dürfen, wie sie es macht, warum sie es macht und was sie sonst noch alles macht. Ob sie ein freizügiges Kopftuch trägt, sich schminkt oder ob sie Burka trägt, das alles ist Hijab und das ist etwas persönliches. Ob sie Hijab trägt, um ihre Reize zu wahren, um sich als Muslima identifizieren zu können, um den Islam zu präsentieren, um dazu zu gehören, um ihrem Mann zu gefallen, um zu rebellieren, um individuell zu sein, um angepasst zu sein. Was kümmert es einen anderen Menschen, was du trägst?
Wen kümmert es, ob ich Hijab trage und trotzdem dies oder jedes mache? Eine Muslima die keinen Hijab trägt darf alles tun und lassen und wird nicht beachtet. Eine Frau die Hijab trägt muss für alle Muslime und den Islam und sich für alles rechtfertigen, was sie tut.
Wie oft werde ich gefragt, warum Männer keinen Hijab tragen? Warum fragt ihr nicht die Männer? Meiner Meinung nach muss ein muslimischer Mann einen Bart tragen und sich nach den Kleidungsvorschriften für muslimische Männer richten. Tun sie es, werden sie als Terroristen betrachtet, finden keine Arbeit und werden bedroht.
Ich kenne Frauen, die Burka tragen. Wenn sie es wollen, sollen sie es tun. Keiner sollte dazu gezwungen werden es zu tragen. Weder hier, noch anderswo auf der Welt. Keinem sollte es verboten werden. Weder hier, noch anderswo.
Ich könnte mir gut vorstellen Burka zu tragen. Nicht oder niemals hier in Deutschland. Ich kenne Frauen, die auch hier Burka tragen. Auf der Straße bespuckt, beschimpft und bedroht wurden. Sich Zuhause einschließen und ihr Haus nicht mehr ohne ihren Mann verlassen wollen. Viele Männer wollen nicht, dass ihre Frauen Burka tragen, weil es auch für sie eine Bürde ist. Außerdem würden alle denken er zwingt sie dazu das zu tun. Es gibt auch Menschen, die das akzeptieren. Die normal behandelt werden beim Arzt oder beim Einkaufen in Metzingen. Aber es ist schwierig und es wäre einfacher in einem muslimischen Land, wo es normaler ist und einfacher. Wo man selten in eine unangenehme Situation käme mit einer Burka. Würde ich in einem warmen Land, wie Ägypten oder in Pakistan wohnen, wäre mit einem reichen Mann verheiratet und käme nur selten in direkten Kontakt mit fremden Menschen, würde ich es vorziehen Burka zu tragen. Es ist praktischer, bequemer, sicherer und angenehmer. Man sieht die anderen, aber die anderen sehen dich nicht. Das ist auch Macht oder zumindest Freiheit.
In einem muslimischen Land könnte ich, obwohl ich Burka trage, High Heels tragen, mich schminken, tanzen gehen und mit meinem Mann Händchen halten auf der Straße (küssen geht ja schlecht, genauso wie essen). Keiner würde über mich herziehen oder mich auf der Straße angaffen. Ich wäre egal – unsichtbar. Hier in Deutschland steht man sogar nur mit Kopftuch oft im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Ich habe es ausprobiert, weil ich alles ausprobiere. Zu meinem Lebensstil hier in Deutschland passt es nicht. Hier fühlt es sich unangenehm an und stellt eine Barriere dar. Kommunikation und Offenheit ist hier sehr wichtig und hier kann man sein öffentliches Leben als Frau auch nicht auf Shoppen gehen begrenzen. Trotzdem werde ich mich immer dafür einsetzen, dass man es darf, wenn man möchte.
Ich weiß, dass die Frauen, denen man es verbieten wird, es nicht ablegen werden. Sie werden eher sich selbst einschränken. Ich weiß es, denn wenn Kopftuch tragen verboten werden würde, würde ich es auch nicht ablegen. Ich würde aufhören Juristin zu sein, wenn man das nicht als Juristin darf. Es ist verboten Lehrerin zu werden mit Hijab, deshalb legt auch keiner sein Kopftuch ab. Man macht etwas anderes und wird aus der Branche kategorisch ausgegrenzt. Würde man es überall verbieten, würde ich wohl in den Knast kommen damit.
Der Islam lässt überall Hintertüren. Hijab tragen ist nicht so wichtig, wie beten oder keine Unzucht begehen. In der Türkei war das Kopftuch viele Jahrzehnte in Schulen und Universitäten verboten. Es gab viele Frauen, die es abgenommen haben oder nur abnahmen, wenn sie das Gebäude betraten und es wieder anzogen, wenn sie nach Hause gingen. Das wäre eben nicht meine Art. Es ist eine persönliche Sache. Jeder hat eine individuelle Beziehung zu seinem Hijab.
Für mich ist es ein Zeichen dafür, dass ich noch stehe. Es ist wie die Uniform der Polizei. Kein Polizist hört auf Polizist zu sein, wenn er seine Uniform nicht an hat. Aber in zivil ist ein Polizist etwas anderes. Hijab ist nur noch viel individueller und viel persönlicher.
Vielen Menschen fehlt die Zeit oder Motivation, ihre Kenntnisse über den Islam zu erweitern, wohingegen eine Begegnung durch Mitmenschen und der allgegenwärtigen Medien nicht zu umgehen ist. Ich spüre aber, dass die Berührungsängste logischerweise weniger werden. Auf beiden Seiten. Ich sage auch gar nicht, jeder sollte informiert sein. Ich informiere mich auch nicht über alles, was es so gibt. Wenn ich sehe, was für eine miserable Koranübersetzung im Artikel von Zeitspiegel zitiert wird, merke ich auch, dass der gute Wille meist nicht ausreicht. Wo findet man seriöse Quellen über den Islam. Das ist Feinarbeit und tiergehendes Fachwissen wird erfordert, um feine Zusammenhänge zu verstehen. Viel zu viele verschiedenen Islamströhmungen finden sich in Deutschland und oft besteht untereinander viele Uneinigkeiten.
Ich sage nicht, werdet alle Islamgelehrte und Experten. Ich sage, benutzt euren gesunden Menschenverstand.
Ich verstehe es, wenn man die Burka als befremdlich empfindet, weil man das Gesicht der Person nicht sieht. Stimmt. Kann ich nachvollziehen. Dann seid ihr halt gegen die Burka. Da mache ich keinem Vorwürfe. Ich bin aber dafür, dass jeder frei entscheiden muss. In vielen Ländern, wo viel Burka getragen wird, scheint es ja auch zu funktionieren, auch wenn man das Gesicht nicht sieht. Stimmt, in manchen Ländern wird man auch dazu gezwungen es zu tragen. Ich bin dagegen und würde das ändern wenn ich könnte.
Frei sein bedeutet eine Wahl haben können.
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