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R.I.P.

Irgendwann vor 8 Jahren habe ich das Gesicht meines Vaters zum letzten Mal gesehen.

Seit meine siebenjährige Schwester ein altes Fotoalbum unserer Familie gefunden hat, erzählt sie in der Nachbarschaft, dass unsere Mutter früher einen anderen Mann hatte, der jetzt tot ist. Deshalb müsse sie ihren Papa mit mir teilen.

Der neue Papa ist religiöser, reifer und verantwortungsbewusster und hat mit 30, als er noch jung und schön war entschieden, dass er sich einen Bart wachsen lassen will – selbstredend nach dem Beispiel unseres Propheten. Wahrscheinlich haben früher sowieso alle Männer Bart getragen, aber die niyah‘ (=Absicht) zählt.

Mein Vater hat fünf kleine Schwestern, die ihn immer noch „Abi“ nennen müssen. Das ist die türkische Anrede für ältere Brüder. Ich habe ihn auch sehr lange so genannt, obwohl mir immer klar war, dass er nicht mein großer Bruder ist. Aus „Abi“ wurde „Ba’bi“, aber nie „Baba“, was auf türkisch Papa heißt. Dafür ärgert er mich mit der Antwort „Ya, Shub’baki?“, wenn ich ihn rufe. Das bedeutet „Ja bitte, mein Fensterchen?“ auf arabisch. „Babun“ ist nämlich das arabische Wort für „Tür“ und „Ba’bi“ bedeutet „Meine Tür“.

Solche Zufälle passieren, wenn man jedem Menschen auf der Welt einen lächerlichen Spitznamen geben muss. Arabisch ist sowieso eine dehnbare Sprache. Da kann aus „Gott hat die Menschen geschaffen.“ wegen falscher Aussprache auch mal „Gott hat die Menschen rasiert.“ rauskommen. Vielleicht hat der Bart ihn doch nicht so viel reifer gemacht. Immerhin sieht er aus, als wäre er reifer auch wenn er ein Quatschkopfpapa ist, der sich zuerst aussperrt und dann sein Kind von einem Balkon im dritten Stock zum anderen wirft, damit es die Haustüre von Innen öffnen kann, bevor seine Frau Heim kommt und schimpft.

Richtig schimpfen tut sie aber nie. Nicht weil er ihr egal ist, sondern weil sich meine Eltern einfach wirklich lieben. Das ist so eine tiefe Liebe, die mich zweifeln lässt, ob arrangierte Ehen wirklich so schlimm sind, wenn sie zwei Menschen zusammen bringen können, die sich einfach wirklich lieben und sich niemals nie trennen werden.

Eigentlich schimpft meine Mutter nur einmal im Jahr bevor wir in die Türkei fliegen richtig. Sie glaubt, mein Opa schäme sich vor seinen Dorffreunden, dass sein Sohn einen Vollbart trägt. In der Türkei trägt man nämlich Schnurrbart. Nur Anarchisten und Transen haben dort Vollbärte und wenn man nur einen einzigen Sohn hat, will man nicht, dass er Anarchist oder Transe ist. Ansonsten ist die Türkei natürlich sehr tolerant, wenn es darum geht, nicht gesellschaftskonform zu sein.

Bekanntlich wissen sich Männer mit passenden Ausreden zu helfen. Mein Vater hat auch eine parat: Er rasiere sich ständig, aber es wachse eben wieder nach. Dabei erinnert er mich an diese Frauen, die sich die Augenbrauen zupfen und behaupten, sie würden sie nicht einmal anrühren. Das wachse einfach von alleine so. Ersteres ist immerhin noch der natürliche Zustand von Haar und letzteres ein eindeutiger Eingriff. Ich glaube nicht, dass sich unsere Urahnen Haare ausgerissen haben. Obwohl – bei Frauen weiß man nie!

Im Grunde habe ich nichts gegen Haare ausreißen, auch wenn unser Prophet Augenbrauenstyling verflucht hat. In Saudi-Arabien haben sich früher nur die Prostituierten die Augenbrauen gezupft, an denen man sie erkennen konnte, wenn man eine suchte. Ob dort auch damals schon alle Burka tragen mussten? Auch Prostituiere?

Bärte gab es sicher schon. Das wissen wir ja von meinem Papa. Es gibt auch Leute, die mit Bart beschissener aussehen, als ohne. Johnny Depp zum Beispiel oder deutsche Salafisten. Nichtsdestotrotz habe ich natürlich auch nichts dagegen Haare wachsen zu lassen. Es würde mich aber interessieren, ob meine kleine Schwester unseren Vater ohne Bart wiederkennen und akzeptieren würde. Gleichzeitig frage ich mich, ob wir ihn wiederkennen und akzeptieren würden. Er mag zwar nicht mal doppelt so alt sein, wie ich, aber er ist sicher alt geworden. Er sieht bestimmt furchtbar aus ohne Bart. Außerdem bekommt er dann Stoppel und Stoppel kratzen. Vielleicht würden sich meine Eltern dann doch trennen. Vielleicht sind arrangierte Ehen doch nicht so sicher. Ich hoffe der Bart bleibt.

Ich will nicht schon wieder einen neuen Papa!

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Hojat Amani Eine Muslima & Künstlerin

Hojat Amani
Eine Muslima & Künstlerin

Ich wollte immer Künstlerin sein und vielleicht bin ich das auch wirklich. Wenn man sich Jurist nennen möchte, muss man die Jurisprudenz studieren und das Examen darin bestehen, aber um Künstler sein zu können, braucht man nur ein Werk oder eine Idee.   Es gibt Kunst schon viel länger als die Kunstakademie und Autodidakten waren noch nie rar in der Kunst.

Trotzdem hätte ich gerne Kunst studiert. Ich finde es interessant und außerdem birgt es einen gewissen Reiz als Mulima eine Kunstakademie zu besuchen. Akt, Gras und Skulpturen..fremde Welten!

Der Islam ist eine sehr ästhetische Religion, da denke ich an Ornamente, Kaligrafie und Mosaike, aber sie kennt Grenzen, bisher jedenfalls.

„Du sollst dir kein Bildnis machen in irgendeiner Gestalt, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist. Du sollst sie nicht anbeten noch ihnen dienen.“ (5. Buch Mose Kapitel 5, Verse 8-9)

So ähnlich, wie in diesem Bibelzitat, sieht das auch im Koran aus. Früher beteten viele Menschen zu Bildern und Skulpturen von Göttern in Tier- oder Menschengestalt. Um diese Anbetung von selbst gemachten Bildern abzuschaffen, wurde in allen monotheistischen Religionen die Darstellung Gottes, eigentlich sogar von Menschen und Tieren, untersagt.

Was mich vom Bachelor of Arts abschreckte, war aber etwas anders: Feminismus!

Vielen wird klar sein, dass ich kein Feind des Feminismus bin. Ich unterstütze ihn, wo er für Gerechtigkeit steht, aber ächte ihn, wo er zur Ungerechtigkeit selbst wird!

Kunst war mein Hauptfach im Abitur und unser Schwerpunkt lag auf einer bestimmten Künstlerin, einer modernen Frau, für die ein Mann nichts mehr wert war. Ein Mann. Ein primitives Wesen, das nur gut ist zum Straßen fegen, die Müllabfuhr, Armee oder den Bergbau. Ein machtgieriges Wesen, das überall überrepräsentiert ist und alles, alles, alles und jeden beherrschen will. Ein unberechenbares Wesen, das nur das eine im Kopf hat und deswegen eine Bedrohung für jede Frau darstellt.

Ein Dia aus dem Unterricht.

Ein Dia aus dem Unterricht.

Weiteres Dia aus dem Unterricht.

Weiteres Dia aus dem Unterricht.

Wieder musste ich mir ekelhafte Dias von einer Frau anschauen in der ich nichts sah, außer Hohn und Hass.

Bei einem der Bilder, sie selbst, mit einem Phallus unterm Arm, den sie triumphierend „Kleines Mädchen“ nannte, war meine Toleranzgrenze erreicht und ich äußerte Kritik. Doch so engstirnig, wie einige Lehrkräfte an unseren Schulen, leider oft noch sind, wurde ich selber zur  Zielscheibe, weil ich mit dem Opfer solidarisierte.

Die Künstlerin selbst.

Ich solle doch den Raum verlassen, wenn ich Probleme mit Freizügigkeit hätte. Aber es sei ja normal, dass ich als Gefangene meines Kopftuchs, das Symbols der Unterdrückung durch Männern wohlgemerkt, Schwierigkeiten damit hätte, wenn eine andere Frau sich einem Mann überlegen fühle. Ich hätte einfach kein gesundes Verhältnis zu Sexualität!

Ich wurde bloßgestellt, als wäre ich ein lächerliches, dummes Schaf, das nichts von der Welt kennt, sich seinen Peinigern unterwirft und nicht begreifen kann, wie modern, wie fortschrittlich und wie stark diese Frau ist.

Eine Frau, die sich behauptet. Eine Frau, die sich nicht ausziehen muss, um ins MoMa in New York zu kommen. Eine Frau, die als Künstlerin, nicht als Objekt zwischen all den großen Männern in den Museen steht und sie  belächelt und weiß, dass sie nun die Macht hat, dass sie nun die Bedrohende, nicht die Bedrohte ist mit ihrem „Kleinen Mädchen“.

Harmoniebedürftig, wie ich bin, setzte ich mich ruhig wieder an meinen Platz und schwieg. Viele werden das als Schwäche sehen, aber stark ist nicht, wer am lautesten um sich schreit und im Recht ist nicht unbedingt, wer Recht behält. Das hat mein Vater mir beigebracht.

Meine Abiskulptur "Großes Mädchen"

Meine Abiskulptur
„Großes Mädchen“

Als Abiskupltur machte ich eine schwangere Frau, die ich „Großes Mädchen“ nannte und bekam für sie als einzige meines Jahrgangs die Höchstpunktzahl.   Ich habe nie höhnisch darüber gelacht. So will ich niemals sein.

Was mir immer klarer wird ist, dass eine Feministin, die einem Mann ungerechtfertigten Hass entgegen bringen kann, den gleichen Hass auch muslimischen Frauen gegenüber preisgibt. Auf der anderen Seite gibt es tatsächlich auch muslimische Männer, die wegen Traditionen ihres Kulturkreises ihre Religion vergessen haben und muslimische Frauen nicht wertschätzen können. Eben diese Männer sind es, die auch westliche Männer als „Schwächlinge“, „Weicheier“ oder „Memmen“ abstempeln und von westlichen Frauen träumen. Das, einmal zugespitzt formuliert.

Diary of a Mad Arabian Woman

Als der Islam geboren wurde, ehrte er die Frau, wie eine Königin. Die Gefährten und Gefährtinnen des Propheten standen auf Augenhöhe miteinander, so wie es in der Geschichte des Islams leider nie wieder der Fall war. Der Islam führe das Erbrecht für die Frau ein, als Frauen anderorts nicht einmal ein Recht auf Besitz hatten. Mekka war eine Stadt, in der Frauen lebendig begraben wurden, bis Mohammed (s) der Unterdrückung ein Ende setzte.

Nun ist es mehr als Zeit, für eine islamische Renaissance.

Wir müssen uns gegenseitig respektiert, ganz gleich welchen Geschlechts oder welcher Religion, klar oder?

Mervy Kay

P.S.: Ich hoffe, diesen Text haben keine Kinder gesehen, die jetzt von den Bildern traumatisiert sind, so wie ICH!!