„Wenn du fällst, musst du nuuuur dein Kopftuch öffnen und schon landest du weich, wie mit einem Fallschirm! “
(Doktor mit W)
Während meine Kommilitonen mit Völlerei im Hörsaal prahlen und ihre Bäuche mit frischen, leckeren Donuts voll stopfen, bin ich leider aus persönlichen Gründen verhindert und verpasse einen Meilen in der Geschichte Tübingens life mitzuerleben.
Mit seinem eigenen, echten Tasty Donuts Store schafft Tübingen endlich den Statussprung von Universität zu Stadt!
Vielleicht überlege ich es mir jetzt noch einmal, ob ich wirklich die Uni wechseln will..
..und Tasty Donuts: Montag bin ich definitiv am Start!
Ich wollte immer Künstlerin sein und vielleicht bin ich das auch wirklich. Wenn man sich Jurist nennen möchte, muss man die Jurisprudenz studieren und das Examen darin bestehen, aber um Künstler sein zu können, braucht man nur ein Werk oder eine Idee. Es gibt Kunst schon viel länger als die Kunstakademie und Autodidakten waren noch nie rar in der Kunst.
Trotzdem hätte ich gerne Kunst studiert. Ich finde es interessant und außerdem birgt es einen gewissen Reiz als Mulima eine Kunstakademie zu besuchen. Akt, Gras und Skulpturen..fremde Welten!
Der Islam ist eine sehr ästhetische Religion, da denke ich an Ornamente, Kaligrafie und Mosaike, aber sie kennt Grenzen, bisher jedenfalls.
„Du sollst dir kein Bildnis machen in irgendeiner Gestalt, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist. Du sollst sie nicht anbeten noch ihnen dienen.“ (5. Buch Mose Kapitel 5, Verse 8-9)
So ähnlich, wie in diesem Bibelzitat, sieht das auch im Koran aus. Früher beteten viele Menschen zu Bildern und Skulpturen von Göttern in Tier- oder Menschengestalt. Um diese Anbetung von selbst gemachten Bildern abzuschaffen, wurde in allen monotheistischen Religionen die Darstellung Gottes, eigentlich sogar von Menschen und Tieren, untersagt.
Was mich vom Bachelor of Arts abschreckte, war aber etwas anders: Feminismus!
Vielen wird klar sein, dass ich kein Feind des Feminismus bin. Ich unterstütze ihn, wo er für Gerechtigkeit steht, aber ächte ihn, wo er zur Ungerechtigkeit selbst wird!
Kunst war mein Hauptfach im Abitur und unser Schwerpunkt lag auf einer bestimmten Künstlerin, einer modernen Frau, für die ein Mann nichts mehr wert war. Ein Mann. Ein primitives Wesen, das nur gut ist zum Straßen fegen, die Müllabfuhr, Armee oder den Bergbau. Ein machtgieriges Wesen, das überall überrepräsentiert ist und alles, alles, alles und jeden beherrschen will. Ein unberechenbares Wesen, das nur das eine im Kopf hat und deswegen eine Bedrohung für jede Frau darstellt.
Wieder musste ich mir ekelhafte Dias von einer Frau anschauen in der ich nichts sah, außer Hohn und Hass.
Bei einem der Bilder, sie selbst, mit einem Phallus unterm Arm, den sie triumphierend „Kleines Mädchen“ nannte, war meine Toleranzgrenze erreicht und ich äußerte Kritik. Doch so engstirnig, wie einige Lehrkräfte an unseren Schulen, leider oft noch sind, wurde ich selber zur Zielscheibe, weil ich mit dem Opfer solidarisierte.
Ich solle doch den Raum verlassen, wenn ich Probleme mit Freizügigkeit hätte. Aber es sei ja normal, dass ich als Gefangene meines Kopftuchs, das Symbols der Unterdrückung durch Männern wohlgemerkt, Schwierigkeiten damit hätte, wenn eine andere Frau sich einem Mann überlegen fühle. Ich hätte einfach kein gesundes Verhältnis zu Sexualität!
Ich wurde bloßgestellt, als wäre ich ein lächerliches, dummes Schaf, das nichts von der Welt kennt, sich seinen Peinigern unterwirft und nicht begreifen kann, wie modern, wie fortschrittlich und wie stark diese Frau ist.
Eine Frau, die sich behauptet. Eine Frau, die sich nicht ausziehen muss, um ins MoMa in New York zu kommen. Eine Frau, die als Künstlerin, nicht als Objekt zwischen all den großen Männern in den Museen steht und sie belächelt und weiß, dass sie nun die Macht hat, dass sie nun die Bedrohende, nicht die Bedrohte ist mit ihrem „Kleinen Mädchen“.
Harmoniebedürftig, wie ich bin, setzte ich mich ruhig wieder an meinen Platz und schwieg. Viele werden das als Schwäche sehen, aber stark ist nicht, wer am lautesten um sich schreit und im Recht ist nicht unbedingt, wer Recht behält. Das hat mein Vater mir beigebracht.
Als Abiskupltur machte ich eine schwangere Frau, die ich „Großes Mädchen“ nannte und bekam für sie als einzige meines Jahrgangs die Höchstpunktzahl. Ich habe nie höhnisch darüber gelacht. So will ich niemals sein.
Was mir immer klarer wird ist, dass eine Feministin, die einem Mann ungerechtfertigten Hass entgegen bringen kann, den gleichen Hass auch muslimischen Frauen gegenüber preisgibt. Auf der anderen Seite gibt es tatsächlich auch muslimische Männer, die wegen Traditionen ihres Kulturkreises ihre Religion vergessen haben und muslimische Frauen nicht wertschätzen können. Eben diese Männer sind es, die auch westliche Männer als „Schwächlinge“, „Weicheier“ oder „Memmen“ abstempeln und von westlichen Frauen träumen. Das, einmal zugespitzt formuliert.
Als der Islam geboren wurde, ehrte er die Frau, wie eine Königin. Die Gefährten und Gefährtinnen des Propheten standen auf Augenhöhe miteinander, so wie es in der Geschichte des Islams leider nie wieder der Fall war. Der Islam führe das Erbrecht für die Frau ein, als Frauen anderorts nicht einmal ein Recht auf Besitz hatten. Mekka war eine Stadt, in der Frauen lebendig begraben wurden, bis Mohammed (s) der Unterdrückung ein Ende setzte.
Nun ist es mehr als Zeit, für eine islamische Renaissance.
Wir müssen uns gegenseitig respektiert, ganz gleich welchen Geschlechts oder welcher Religion, klar oder?
Mervy Kay
P.S.: Ich hoffe, diesen Text haben keine Kinder gesehen, die jetzt von den Bildern traumatisiert sind, so wie ICH!!
Kopftuch, Kopftuch, Kopftuch – kein sehr schönes Wort für einen so schönen Vers des Korans, den ich seit Jahren versuche würdevoll auf meinem Haupt zu tragen. Hijab heißt es richtig und es hat eher wenig mit nur einem Stückchen Stoff zu tun.
„Es passt gar nicht zu dir!“, habe ich oft gehört. Ob ich es aus Zwang trage, will man wissen. Gott hätte uns ohne Haare geschaffen, wenn er sie versteckt haben wollte, meinen viele: „Gehören sie etwa nicht zu dir, deine Haare?“
Aber natürlich gehören sie zu mir und als ich anfing Hijab zu tragen, habe ich anfangs sogar ein bisschen das Gefühl gehabt, einen Teil meiner Identität verloren zu haben. Es war zwar natürlich ein selbstbestimmter Akt, doch ich hatte den Verlust unterschätzt, den ich tatsächlich erlebte. Plötzlich bedeutete es etwas, wie ich von anderen wahrgenommen wurde. Bislang konnte niemand sehen, welchen Glauben ich hatte oder wie ich dazu stand und jetzt war es offensichtlich, denn der Hijab gehört eindeutig zum Islam. Ich war überall und immer nur noch Muslima. Ich musste mich stets für meinen Glauben entschuldigen und ihn rechtfertigen, zu jedem „Issue in Islam“ fundiertes Wissen beweisen und eine Meinung haben:
Minarette, Burka, Mohammedkarikatur, Steinigung, Salafismus, Homosexualität, Selbstmordattentäter, Scharia, Ehrenmord, Zwangsheirat,… ∞ !
Bald lernte ich allerdings damit umzugehen und meine eigene Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Irgendwann findet man gar nichts mehr schlimm und im Studium lernte ich dann die verschiedensten Muslimas kennen, die ihren Glauben auf unterschiedlichste Art und Weise ausdrückten. Ob ihr Hijab eine Burka, ein Kopftuch, ein Turban oder nichts ist, kennen sie alle die Trendfrage No.1: Warum trägt man Hijab?
Eine gläubige Frau soll ihre Gewänder über sich ziehen, um als Muslima erkannt zu werden und damit sie nicht belästigt wird, so der Koran!
Eine Frau, die ihr Haar mehr oder weniger kunstvoll verdeckt, soll oder will also nicht wahrgenommen werden? Nein, abgesehen von den wenigen Männern, die sich Zettel an die Kühlschranktür kleben, bei welchen Minderheiten sie noch im Bett landen wollen, werden wir sowieso weniger als Frau wahrgenommen als vorher, aber auch für alle anderen gilt im Normalfall für den Umgang mit Kopftuchmitmenschinnen: nicht anfassen, nur anschauen!
Sowieso viel wichtiger im modernen Kontext und eindeutig stärker im Vordergrund steht der Aspekt der Repräsentation und stößt damit auch auf die größeren Hemmungen. Es herrscht allgemeine Unsicherheit darüber, ob man einer Kopftuchmenschin so viel Selbstreflexion zumuten kann, dass sie auch noch für etwas anderes stehen kann, als für den Islam, leider noch.*
„Wenn man mit euch in Kontakt kommt, überraschst ihr einen wahnsinnig und gerade Menschen, die kopftuchtragende Mädchen von vorneherein in ein Raster fallen lassen, bekommen euch halt in ihrem begrenzten Weltbild nicht unter. Genau mit denen musst du dich anlegen Mervy Kay, aber mach dich auf etwas gefasst, wenn du rebellieren willst!“
Wir treten mit unseren Tüchern deutlich aus der Masse hervor und es ist verständlich, dass die Umstände für uns manchmal etwas schwerer sind, als für andere Menschen hier in Deutschland. Aber ist es nicht leicht, sich einzureden, es gäbe auf der ganzen Welt keine anderen, die es einfach nicht schaffen, etwas zu verändern? Dieses Gefühl ist falsch und man darf niemals den Mut verlieren, es jeden weiteren Tag wieder und wieder zu versuchen, bis das Kopftuch eines Tages vielleicht sogar ein Pluspunkt sein kann, egal für was. Wir müssen die Sache jetzt einfach rumreißen!
Ich habe mich nie hinter meinem Kopftuch versteckt oder es vorgehalten und ich werde es nie für jemanden oder für etwas ausziehen, wenn, dann nur für mich und die Kopftuchmenschin, die das Kopftuch als Handicap sieht, sollte es bitte gleich sein lassen!
Last but not least möchte ich ein riesiges Danke sagen, mit strahlen in den Augen, an alle Mitmenschen, die keine Muslime sind und trotzdem so einen weiten Horizont haben, dass sie mit mir an die Kopftuchmenschin glauben und an mehr!!
Mervy Kay
* Die Betonung liegt auf dem feinen Wörtchen „noch“!