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Ein Bier für den Imam!

In der Nähe einer Moschee in Duisburg-Marlox wird ein Rosengarten (türk. Gülhane) gebaut, um Christen, Muslimen und Juden einen Begegnungsort zu schaffen, weil sie sich sonst nirgendwo in Deutschland begegnen können. Gott segne Frau Schwantes, denn durch ihre Initiative gibt es bald eine Insel des Friedens, wo wir endlich die Chance bekommen, diese fremden, anderen Menschen kennen zu lernen, ganz ohne Angst und Furcht – Danke!

Ich bin auch mit einer Insel aufgewachsen, Mainau, der schönsten Blumeninsel der Welt! Sehr blumig wächst das rosige Unterfangen der lieben Frau Schwantes jedoch nicht heran, denn ganz insgeheim scheint sie doch ganz große Angst vor Muslimen zu haben.

Frau Schwantes habe gesagt, der Imam hätte ein Bier über den Durst getrunken haben können. Das sei eine sehr grobe Beleidigung im Islam und damit sei sie in großer Gefahr, weshalb sie den Verantwortlichen dieser Verleumdung schnurstracks verklagen musste.

Entschuldigung!

Liebe Frau Schwantes, könnten Sie bitte Ihr Bier trinken und darauf warten, dass der Imam Sie verklagt, statt zu glauben, der Imam lässt Sie für diesen Fauxpas töten?

Egal, wie schwierig die Lage für Sie auch aussehen mag, es ist immer noch Platz für ein oder zwei Bier und das sage ich Ihnen als Muslima. Ich bin weder Imam, noch trinke ich Bier, aber ich liebe nicht nur Blumen, sondern auch Professoren, denn Professoren bringen einem ganz schlaue Dinge über das Leben bei:

Ein Professor stand vor seinem Kurs und hatte ein kleines Experiment vor sich aufgebaut: Ein sehr großes Marmeladenglas und drei geschlossene Kisten. Als der Unterricht begann, öffnete er die erste Kiste und holte daraus Golfbälle hervor, die er in das Marmeladenglas füllte. Er fragte die Studenten, ob das Glas voll sei. Sie bejahten es.

Als nächstes öffnete der Professor die zweite Kiste. Sie enthielt M&Ms. Diese schüttete er zu den Golfbällen in das Glas. Er bewegte den Topf sachte und die M&Ms rollten in die Leerräume zwischen den Golfbällen. Dann fragte er die Studenten wiederum, ob der Topf nun voll sei. Sie stimmten zu.

Daraufhin öffnete der Professor die dritte Kiste. Sie enthielt Sand. Diesen schüttete er ebenfalls in den Topf zu dem Golfball-M&M-Gemisch. Logischerweise füllte der Sand die verbliebenen Zwischenräume aus. Er fragte nun ein drittes Mal, ob der Topf nun voll sei. Die Studenten antworteten einstimmig „ja“.

Der Professor holte zwei Dosen Bier unter dem Tisch hervor, öffnete diese und schüttete den ganzen Inhalt in den Topf und füllte somit den letzten Raum zwischen den Sandkörnern aus. Die Studenten lachten.

„Nun“, sagte der Professor, als das Lachen nachließ, „ich möchte, dass Sie dieses Marmeladenglas als Ihr Leben ansehen.

Die Golfbälle sind die wichtigen Dinge in Ihrem Leben: Ihre Familie, Ihre Kinder, Ihre Gesundheit, Ihre Freunde, die bevorzugten, ja leidenschaftlichen Aspekte Ihres Lebens, welche, falls in Ihrem Leben alles verloren ginge und nur noch diese verbleiben würden, Ihr Leben trotzdem noch erfüllen würden.“

Er fuhr fort: „Die M&Ms symbolisieren die anderen Dinge im Leben wie Ihre Arbeit, ihr Haus, Ihr Auto. Der Sand ist alles Andere, die Kleinigkeiten.“

„Falls Sie den Sand zuerst in das Glas geben“, schloss der Professor, „hat es weder Platz für die M&Ms noch für die Golfbälle. Dasselbe gilt für Ihr Leben. Wenn Sie all Ihre Zeit und Energie in Kleinigkeiten investieren, werden Sie nie Platz haben für die wichtigen Dinge. Achten Sie zuerst auf die Golfbälle, die Dinge, die wirklich wichtig sind. Setzen Sie Ihre Prioritäten. Der Rest ist nur Sand.“

Einer der Studenten erhob die Hand und wollte wissen, was denn das Bier repräsentieren soll.

Der Professor schmunzelte: „Ich bin froh, dass Sie das fragen. Das zeigt Ihnen, egal wie schwierig Ihr Leben auch sein mag, es ist immer noch Platz für ein oder zwei Bier.“

In meinem Leben steht das Bier für „lässig sein“. Es steht für Humor, Entspanntheit, Lockerheit, aber eigentlich kann ich es nicht richtig benennen. Ihr wisst, was ich meine und dafür ist immer Platz im Leben, es sei denn man ist eine hysterische Schrulle, dann hat man kein Leben.

Ich will es mal so sagen: Wenn euch euer Bier so wichtig ist, dann trinkt es doch aus! Man kann von keinem Lässigkeit erwarten, ohne es selber Ansatzweise zu sein und deutsche Muslime sind schon ziemlich lässig. Seid mal ehrlich, findet ihr nicht?

Schaut mal, was für Gangster in Boston herumgeistern. Ich für meinen Teil kann da schon von Nationalstolz sprechen und ich hoffe, dass es in meinem Land auch in Zukunft nicht nötig sein wird Rosengarten zu bauen, um irrationale Ängste abzubauen, obwohl ich Rosen auch ganz klasse finde.

Auf Deutschland – Prost!

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Why so serious?

Silvester ist gerade erst rum und jetzt ist schon Aschura..

Ja, genau! Muslime haben einen anderen Kalender und eine andere Zeitrechnung als andere Menschen. Wir schreiben das Jahr 1435 und zählen sie 11 Tage schneller ab als ihr, weil wir uns wie Wehrwölfe am Mond orientieren und nicht wie Vampire an der Sonne!

Muharram, unser jetziger Monat, gehört zu den vier heiligen und wurde von Mohammed (s) sogar „schar-ullah“ genannt, Monat Allahs. In dieser Zeit sollen die guten Taten schwerer wiegen, als in anderen Monaten und besonders heute ist das wichtig zu wissen, denn heute ist der Tag von Aschura. Es winden sich die unterschiedlichsten Geschichten zu Aschura und die Muslime sind sich überhaupt nicht einig über diesen Tag.

Nach der Sintflut ist Noahs (as) Arche auf Land gestoßen, an Aschura und an Aschura hat Allah das Rote Meer gespalten, damit Moses (as) es auf der Flucht vor dem Pharao mit seinem Volk durchqueren konnte. Es gab viele, viele wichtige Ereignisse und sie haben alle etwas mit einem Neuanfang zu tun!

Neben vielen, vielen Dingen, die ich in diesem Monat neu angefangen habe, gibt es eine ganz wichtige, ganz große Sache, die jeder heute anfangen sollte, egal, ob Moslem oder nicht: Humor haben!Bild

Es ist mir aufgefallen, wie oft Muslime bei harmlosen Scherzen beleidigt sind und durch den Karikaturenstreit wurde der Eindruck verstärkt, dass Muslime keinen Spaß verstehen. Mohammed-Karrikaturen sind ja gar kein Spaß, sondern eher Provokation, aber wenn Menschen, egal ob Muslime oder Nichtmuslime, aufhören lustig über den Islam zu reden, alles immer ganz ernst nehmen und immer gleich beleidigt und böse werden, wächst die Angst immer, immer mehr!

Über die Hälfte der Deutschen befürchteten laut einer Allensbach-Umfrage vom vergangenen Sommer, dass es in Deutschland verstärkt zu Spannungen mit der muslimischen Bevölkerung kommen wird. Ich finde, dass das der eigentliche Witz hier ist und leider auch der einzige!

Im Koran wird einmal über die mächtigen, heidnischen Mekkander gesprochen, die sich über den Glauben und die Lebensart der Muslime lustig machen und spöttisch lachen. Mohammed hat zum Glück keine Botschaften angezündet und außerdem steht im Koran  sowieso: “Ihr Lachen wird am Jüngsten Tag vergehen”. Das klingt erstmal grausam, spöttisch soll ja aber auch keiner lachen. Sonst fällt man eben irgendwann auf die Nase. Stattdessen ist Humor ganz wichtig und den haben die Muslime wohl in den letzten Jahren irgendwo zwischen Kolonialismus und Afghanistan leider verloren.

„Erfrischt die Herzen von Zeit zu Zeit, denn müde Herzen werden blind.“ sagte Muhammed (s)!

Unser Prophet pflegte es viel zu lächeln, er konnte sich sehr freuen und war sanftmütig. Sein Gesicht soll geleuchtet haben, wenn er sich über etwas freute, so sehr, dass es dem Leuchten des Mondes glich. Er blieb stets bei der Wahrheit, selbst wenn er scherzte und er lachte nie hässlich und laut, aber er lachte und er konnte Spaß verstehen und wir sollten das auch wieder lernen!

Ich sehe Muhammed (s) nicht als Gesetzesmann oder Feldherr, sondern als Vorbild! Vorbild dafür, nicht nur ein guter Moslem, sondern auch ein guter Vater, ein guter Ehemann, ein guter Nachbar, ein guter Freund oder einfach nur ein guter Mensch zu sein, denn das war er mit Sicherheit! Ich verstehe die Muslime nicht, die denken, sie könnten ein besseres Vorbild finden als ihn, oder warum versucht ihr nicht, ihn nachzuahmen? Warum seid ihr so ernst?

Wenn Muhammad (s) zu Aischa, seiner Frau, kam, fand er Suwaida, eine ihrer Freundinnen, oft bei ihr. Eines Tages hatte Aischa etwas zu essen gemacht und es Suwaida angeboten. Suwaida mochte das Essen nicht und Aischa sagte: „Ich schwöre bei Gott, wenn du es nicht isst, dann werde ich es dir ins Gesicht werfen.“ Als Suwaida weiterhin ablehnte, nahm Aischa etwas von dem Essen in die Hand und rieb es ihr ins Gesicht. Muhammad (s), der zwischen den beiden saß, machte Suwaida Platz, damit diese sich an Aischa rächen konnte. Dabei soll er sich köstlich amüsiert haben.

Die Muslime von heute würden sagen: „Oh aber im Koran steht, man soll nicht verschwenderisch sein! Heb das Essen wieder auf du böser, schlechter Mensch!“ und „Unsere Religion erlaubt dies nicht, unsere Religion erlaubt das nicht. Aber im Koran steht jenes. Komm zünden wir eine Botschaft an.“.

Ich kann es nur immer wieder sagen: Versuchen wir unseren Propheten kennen zu lernen und so zu sein, wie er, dann werden die Menschen auch ein ganz anderes Bild vom Islam bekommen und keine Angst mehr davor haben, denn Muhammed (s) ist der Islam!

Dumme Menschen, respektlose Karikaturisten, Alice Schwarzer oder Sarazin wird es immer geben, aber der Glaube an den Jüngsten Tag ist einer der sechs großen Pflichten des Muslims, also: Keine Joker-Maske aufziehen und den Mund von Islam-Hatern aufschlitzen, bitte!

Ihr versteht doch Spaß, oder?

Mervy Kay

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SPOTTED: Die Kopftuchmenschin

Kopftuch, Kopftuch, Kopftuch – kein sehr schönes Wort für einen so schönen Vers des Korans, den ich seit Jahren versuche würdevoll auf meinem Haupt zu tragen. Hijab heißt es richtig und es hat eher wenig mit nur einem Stückchen Stoff zu tun.

„Es passt gar nicht zu dir!“, habe ich oft gehört. Ob ich es aus Zwang trage, will man wissen. Gott hätte uns ohne Haare geschaffen, wenn er sie versteckt haben wollte, meinen viele: „Gehören sie etwa nicht zu dir, deine Haare?“

Aber natürlich gehören sie zu mir und als ich anfing Hijab zu tragen, habe ich anfangs sogar ein bisschen das Gefühl gehabt, einen Teil meiner Identität verloren zu haben. Es war zwar natürlich ein selbstbestimmter Akt, doch ich hatte den Verlust unterschätzt, den ich tatsächlich erlebte. Plötzlich bedeutete es etwas, wie ich von anderen wahrgenommen wurde. Bislang konnte niemand sehen, welchen Glauben ich hatte oder wie ich dazu stand und jetzt war es offensichtlich, denn der Hijab gehört eindeutig zum Islam. Ich war überall und immer nur noch Muslima. Ich musste mich stets für meinen Glauben entschuldigen und ihn rechtfertigen, zu jedem „Issue in Islam“ fundiertes Wissen beweisen und eine Meinung haben:

Minarette, Burka, Mohammedkarikatur, Steinigung, Salafismus, Homosexualität, Selbstmordattentäter, Scharia, Ehrenmord, Zwangsheirat,… ∞ !

Bald lernte ich allerdings damit umzugehen und meine eigene Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Irgendwann findet man gar nichts mehr schlimm und im Studium lernte ich dann die verschiedensten Muslimas kennen, die ihren Glauben auf unterschiedlichste Art und Weise ausdrückten. Ob ihr Hijab eine Burka, ein Kopftuch, ein Turban oder nichts ist, kennen sie alle die Trendfrage No.1: Warum trägt man Hijab?

Eine gläubige Frau soll ihre Gewänder über sich ziehen, um als Muslima erkannt zu werden und damit sie nicht belästigt wird, so der Koran!

Eine Frau, die ihr Haar mehr oder weniger kunstvoll verdeckt, soll oder will also nicht wahrgenommen werden? Nein, abgesehen von den wenigen Männern, die sich Zettel an die Kühlschranktür kleben, bei welchen Minderheiten sie noch im Bett landen wollen, werden wir sowieso weniger als Frau wahrgenommen als vorher, aber auch für alle anderen gilt im Normalfall für den Umgang mit Kopftuchmitmenschinnen: nicht anfassen, nur anschauen!

Sowieso viel wichtiger im modernen Kontext und eindeutig stärker im Vordergrund steht der Aspekt der Repräsentation und stößt damit auch auf die größeren Hemmungen. Es herrscht allgemeine Unsicherheit darüber, ob man einer Kopftuchmenschin so viel Selbstreflexion zumuten kann, dass sie auch noch für etwas anderes stehen kann, als für den Islam, leider noch.*

„Wenn man mit euch in Kontakt kommt, überraschst ihr einen wahnsinnig und gerade Menschen, die kopftuchtragende Mädchen von vorneherein in ein Raster fallen lassen, bekommen euch halt in ihrem begrenzten Weltbild nicht unter.       Genau mit denen musst du dich anlegen Mervy Kay, aber mach dich auf etwas gefasst, wenn du rebellieren willst!“

Wir treten mit unseren Tüchern deutlich aus der Masse hervor und es ist verständlich, dass die Umstände für uns manchmal etwas schwerer sind, als für andere Menschen hier in Deutschland. Aber ist es nicht leicht, sich einzureden, es gäbe auf der ganzen Welt keine anderen, die es einfach nicht schaffen, etwas zu verändern? Dieses Gefühl ist falsch und man darf niemals den Mut verlieren, es jeden weiteren Tag wieder und wieder zu versuchen, bis das Kopftuch eines Tages vielleicht sogar ein Pluspunkt sein kann, egal für was. Wir müssen die Sache jetzt einfach rumreißen!

Ich habe mich nie hinter meinem Kopftuch versteckt oder es vorgehalten und ich werde es nie für jemanden oder für etwas ausziehen, wenn, dann nur für mich und die Kopftuchmenschin, die das Kopftuch als Handicap sieht, sollte es bitte gleich sein lassen!

Last but not least möchte ich ein riesiges  Danke  sagen, mit strahlen in den Augen, an alle Mitmenschen, die keine Muslime sind und trotzdem so einen weiten Horizont haben, dass sie mit mir an die Kopftuchmenschin glauben und an mehr!!

Mervy Kay

* Die Betonung liegt auf dem feinen Wörtchen „noch“!

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FAITH over FEAR

Was ist hier los? Ist es nicht zu früh, um zurück zu blicken? Von „alten Zeiten“ zu reden und Erinnerungen in Rückblenden zu sehen? Das erste Klassentreffen wird geplant! Warum macht mich das so nervös?

Dieses Treffen wird mehr als nur ein Wiedersehen. Zum ersten Mal wird unsere Vergangenheit unserer Zukunft begegnen. Ich fühle mich in meine Schulzeit zurückversetzt. Mir fiel es damals sehr schwer, eine Rolle zu finden und mich in die Gesellschaft „Schule“ einzuordnen. Bevor ich diesen Ort verließ, sagte mir ein Mitschüler etwas, das ich es erst jetzt verstehe:

„Dir kommen die anderen merkwürdig vor, weil Du anders bist, Mervy Kay. Aber Du bist auch nicht merkwürdig, nur gewöhnungsbedürftig und wir haben uns an Dich gewöhnt!“

Das war kein gescheiterter Versuch, mir ein Kompliment machen zu wollen. Es ist ein Gleichnis für ein Thema, eine Frage, ein Problem, das mich immer schon beschäftigt hat: Die Rolle der Muslime in Deutschland!

Was jeder weiß: Wir sind einfach nur anders, nicht merkwürdig. „Anders“ zu sein, ist überhaupt nicht schlimm. Das Problem ist, durch sein Anders-Sein benachteiligt zu werden. Und das will keiner!

#SchauHin war echt klasse und hat viel Aufmerksamkeit mobilisiert. Kein Grund, sich rein zu steigern. So ein Opfer-Getue tut einem auf Dauer selbst nicht gut. Vergessen wir also mal das Anders-Sein, den Alltagsrassismus und die Auswanderungspläne: Wir sind hier, gewöhnt euch dran (Das ist übrigens an Deutschland  u n d  die Muslime gerichtet, falls das nicht klar sein sollte).

Die Erinnerung schwärzt die kleinen Dinge. Versucht trotzdem zurück zu denken. Kommen euch die Differenzen aus der Schulzeit nicht lächerlich vor? Erst wenn man die Schule verlässt, wird einem bewusst, wie kleingeistig unsere Lebensvorstellungen damals waren. In Zukunft ist heute die Vergangenheit, an die wir zurückdenken werden.

Ich werde niemals den Islam repräsentieren oder für alle Muslime beantworten können, warum ich Kopftuch trage, bete und warum ich glaube! Die Person, die euch das Gefühl gibt, hier nicht willkommen zu sein, kann auch nicht Deutschland repräsentieren. Das kann keiner, selbst wenn diese Person Merkel ist oder der Präsident. Es gibt nicht nur eine Realität. Es gibt nicht nur die Muslime und es gibt nicht nur die Deutschen.

Ich weiß nicht, ob ich inzwischen vernünftiger oder bekloppter geworden bin. Nur habe ich mich nie mehr als Deutsche  u n d  als Muslima gefühlt als jetzt, wo ich diese Winzigkeit verstanden habe.

Kein Mensch verdient es in ein Raster zu fallen und kein Mensch passt in eine Schublade! Ich bin dafür, dass wir unsere Kommoden jetzt sprengen und anfangen an mehr zu glauben.

Ein paar Monate sind es noch bis zum Klassentreffen. Mal sehen, wer wir bis dahin geworden sind!

Mervy Kay

P.S.: Dies sollte bitte nicht als Aufruf verstanden werden, sich schützend vor eine exotische Minderheit zu stellen. Es geht darum, endlich gleichberechtigt ernst genommen zu werden. Insch’ALLAH bald!

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how to be an urban nomad

Ich habe diesen Song gehört von Marina & the Diamonds „How to Be a Heartbreaker“ und darin heißt es

„(1) Rule number one, is that you gotta have fun…(2) Rule number two, just don’t get attached to somebody you could lose..(3) Rule number three, don’t wear your heart on your sleeve, unless you wanna taste defeat & (4) Rule number four, gotta be looking pure“.

Gut, jeder wird mir glauben, dass ich keine Herzensbrecherin bin. Marinas Regeln finde ich trotzdem nützlich!

Genau vor einem Jahr bin ich zum Studieren von einem kleinen Städtchen im Strohgäu in ein großes Städtchen am Neckar gezogen. Als Student sei es am leichtesten eine neue Stadt kennen zu lernen, meinten meine Eltern. Man lerne viele, viele, viele  Menschen kennen und habe die Gelegenheit seine Karten neu zu mischen. So lerne man auch sich selbst ein bisschen besser kennen! Yuhuu..?!

Ich hatte meine Karten eigentlich gut sortiert und der gemütliche Lebenswandel stellte sich anfangs als höchst ungemütlich heraus. Wie alle übermotivierten Erstsemestler stürzte ich mich auch erstmal in eine Lehrmaterialieneinkaufstour. Eichhörnchen auf fachspezifischer Printmaterialienjagt! Natüürlich mit meinen Millionen superfantastischen, superinteressanten, superneuen Freunden, denen ich   a l l e s   über mich natüürlich auf einem Silbertablettchen präsentieren konnte und natüürlich präsentierte.

Von den Millionen Konservendosenfreunden ist nicht mehr viel übrig und von der Übermotivation noch weniger. Dafür vermehren sich die bösen Tratschereien der Studierstädtchenkinder reichlich und einmal aufgedeckte Karten, bleiben nunmal offen. Aber was soll’s, das Spiel geht weiter und früher oder später werden die Karten wieder neu gemischt.

Für alle übermotivierten Erstsemestler:

Nicht jeder von euch wird dieses Neue-Stadt-Neues-Glück-Spiel gewinnen. Hier muss sich jeder sein Kartenhaus neu aufbauen. Besser als vorher kenne ich mich auch nicht, aber ich hab   n e u e   Karten gefunden, die mir für Regel eins noch gefehlt haben: Die Jocker oder wie ich sie nenne – Stadtnomaden.

Es gibt sie in jedem Studierstädtchen. In manchen weniger, in manchen mehr. Sie haben meistens Migrationshintergrund und reisen in ihrer Freizeit in ganz Deutschland herum und besuchen Seminare und Podiumsdiskussionen über den Islam im entferntesten Sinne oder über Integration und Politik und die Welt! Wenn sie nicht können, reisen sie im Internet herum und suchen Artikel und Videos von oder über Ihresgleichen. Fast alle von ihnen sind gläubig und die meisten sehr kreativ und aktiv. Es gibt Männchen von ihnen und Weibchen, Großchen und Kleinchen, Jungchen und Altchen, Schlauchen und sogar Dummchen, viele Pärchen und mehr Alleinchen. Ganz witzig sind sie meistens auch, aber auf jeden Fall fröhlich! Ich hab schon manche gesehen, die sich auch anders anziehen, Haremshosen mit Westen oder mit Gebetskette am Hals, manche unter ihnen haben ein Kopftuch oder einen Turban und andere nicht. Viele sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Sie sind alle verschieden, aber sie machen alle dieses Land ein bisschen besser und ich bin auch einer von ihnen!

Es gibt uns wirklich überall, aber man weiß so wenig über uns, dabei sind wir doch so interessant. Es muss unbedingt einer  ein Lied singen „How to Be an Urban Nomad“, ob ich das wohl machen sollte? Dafür bin ich viel zu heiser von all den stadtnomadischen Diskussionen auf den Straßen hier an meinem Neckarstückchen. Aber rede doch mit einem Stadtnomaden, wenn du einen findest – das ist dein Joker und dafür gibt es von Marina noch keine Spielregeln!

Mervy Kay

P.S.: Beachte auf dem Foto das Bild links an der Wand.