Wir brauchen Feminismus. Das ist klar. Ich finde es wichtig, dass sich sowohl Frauen als auch Männer für Gleichberechtigung einsetzten. Es ist von Bedeutung, dass sich Frauen vernetzten und es ist entscheidend, dass sie ihre Rechte verteidigen – sei es, wenn es um ihre körperliche Selbstbestimmung geht, im Beruf oder auch bei der Bezahlung.
Es gibt jedoch auch Feminismus, der ausgrenzt. Ich werde als kopftuchtragendende Muslima beispielsweise häufig so betrachtet, als sei ich ein Opfer des Patriarchats. Für mich ist das Kopftuch jedoch kein Symbol für Keuschheit, sondern eher ein Ausdruck meiner Glaubensidentität, gerade weil es ein sichtbares Accessoire ist. Für mich ist der Islam eben keine Religion, die man im stillen Kämmerlein lebt.
Feminismus heißt für mich, andere Lebensweisen zu akzeptieren. Jede Frau sollte selbst entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten will und wissen, was gut für sie ist. Es gibt jedoch eine Reihe Feministinnen quer durch alle Schichten, die anderen Frauen ihre Auffassungen und ihr eigenes, starres Bild von Emanzipation aufdrücken wollen.
Für viele schließen sich der Islam und Feminismus aus. Für Nichtmuslime besonders, wenn sie mein Kopftuch sehen. Und einige Muslime haben auch immer noch ein ziemlich traditionelles Frauenbild – Frauen sind für sie von Natur aus das schwächere Geschlecht. Das ist aber nicht islamspezifisch. Auch in Süddeutschland gibt es viele Frauen, die aus der Rolle der Hausfrau nicht rauskommen.
Sicher, es gibt Elemente im Islam, die Männer bevorzugen, die gibt es aber auch im Christentum. Wir leben eben nun mal in einer patriarchalen Welt. Zu der Übervorteilung der Männer kommt es aus meiner Sicht vor allem deshalb, weil in Islamischen Gemeinden Männer in der Regel die höchsten klerischen Ämter innehaben. Sie haben mehr Macht und verteidigen ihre Vorteile. In ihren Reden unterstreichen diese dann oft die Pflichten der Frauen, die Pflichten der Männer werden hingegen kaum thematisiert. Zudem beten Männer und Frauen in Moscheen oft voneinander getrennt, sodass Männer wenig über die Bedürfnisse der Frauen erfahren, wenn die Frauen nicht von sich aus laut werden.
Ich würde mir wünschen, dass sich allgemein mehr Frauen trauen würden, das Wort zu ergreifen.
Merve Kayikci, 22, studiert Crossmedia-Redaktion und PR in Stuttgart und hat ihre Kindheit in Konstanz verbracht.
Dieses Gesprächsprokokoll ist in der Wochenend-Beilage des Südkuriers zum Weltfrauentag erschienen.
Ich bedanke mich bei Susanne Ebner für das schöne Gespräch.
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